Wie das SFO Museum Händchen hält mit dem Fediverse

San Francisco International Airport Museum Exhibit, Ed Bierman from CA, usa, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons

Wenn Menschen Wert und Bedeutung in der Interaktion mit Dingen sehen, die keine “Menschen” sind, wie Orte, Marken oder Dienstleistungen, warum sollte sich dieses Verhalten dann nicht auch auf einzelne Objekte in einem Museum erstrecken?Wenn Menschen Wert und Bedeutung in der Interaktion mit Dingen sehen, die keine “Menschen” sind, wie Orte, Marken oder Dienstleistungen, warum sollte sich dieses Verhalten dann nicht auch auf einzelne Objekte in einem Museum erstrecken?

Quelle: Aaron Cope, Holding Hands with the “Fediverse” – ActivityPub at SFO Museum

Wem folgen wir, und warum? Die Frage von Aaron Cope ist irgendwie theoretisch, aber auch spannend: Warum folgen wir Nike, Taylor Swift (Marke oder Menschen?) oder der Stadt Hamburg auf Instagram oder X-Twitter, nicht aber der Mona Lisa im Louvre, allgemein also: Objekten in Museen? Cope arbeitet unter anderem für das SFO Museum am San Francisco International Airport, das erste Museum an einem internationalen Flughafen weltweit. Betrieben wird es in Zusammenarbeit mit dem Fine Arts Museum von San Francsico, und das verrät vielleicht ein wenig über den Anspruch des Museums. Cope liebt, so verrät es sein Mastodon-Profil, Museen und Karten: Zuvor arbeitete er unter anderem für Flickr, aktuell liefert er Kontext für Kartendaten im Projekt “Whos On First” für Mapzen.

Warum soll ich überhaupt Museums-Objekten folgen? Warum nicht, meint Cope: Als er 2012 eine Liste mit 50.000 Kunstwerken des Museum of Modern Art (MoMa) in New York in die Hände bekam, für die jeweils eigene Websites eingerichtet waren, fragte er den Orts- (heute vorwiegend: Restaurant-) Empfehlungsdienst Foursquare, ob er für jedes dieser Kunstobjekt ein Venue auf der Plattform anlegen könnte.

Wenn die Leute schon [auf Foursquare] aktiv darum wetteifern, “Bürgermeister” ihres örtlichen Cafés zu werden, scheint es nicht weit hergeholt, sich vorzustellen, dass sie das auch für ihre Lieblingskunstwerke im MoMA tun würden.

Quelle: Aaron Cope, Holding Hands with the “Fediverse” – ActivityPub at SFO Museum

Die höfliche Antwort von Foursqaure lautete: “Nein, bitte nicht!” Ein paar Jahre später fragte er dann einen Freund, der bei Twitter arbeitete, ob er für 200.000 Ausstellungsobjekte am Cooper Hewitt Smithsonian National Design Museum, wo er inzwischen arbeitete, einzelne Accounts anlegen könnte. Auch dessen Antwort war nach einem (möglicherweise hysterischen) Lachen: “Nein, bloß nicht!”

Wer entscheidet, wem wir folgen können? Mit Blick auf Copes Fragen an Foursquare und Twitter ist die Antwort klar: Hier fällten die Betreiber kommerzieller Plattformen diese Entscheidung. Und nach welchen Kriterien entscheiden sie? Überraschung: nach kommerziellen Kriterien. Es mag zwar eine theoretische (vielleicht auch verrückt) Idee sein, einzelnen Museumsobjekten zu folgen. Es ist aber zunächst einmal ebenso theoretisch (oder verrückt), einer Marke oder einem Nike-Turnschuh Online zu folgen. Der einzige Unterschied: Letzteres könnte für Plattformen wie Facebook oder TikTok kommerziell interessant sein, also lassen sie es zu. Sollten wir aber zulassen, dass kommerzielle Plattformen darüber entscheiden, was online möglich ist und was nicht?

Was heisst das SFO-Projekt jetzt konkret? Wer im Fediverse aktiv ist, kann sich dank Cope nach Laune und Vorlieben mit dem SFO Museum verbinden. Er/sie kann Objekten folgen, die gerade ausgestellt (@onview@collection.sfomuseum.org) oder gerade gekauft wurden (@recentlyacquired@collection.sfomuseum.org). Wir können beispielsweise allem folgen, was im oder über das Internationale Terminal ausgestellt wird (@internationalterminal). Für jeden früheren Flug nach oder von SFO gibt es zudem einen eigenen Account. Viel los ist nicht auf diesen Accounts – die Idee ist aber faszinierend. (Weil die Accounts über ein ActivityPub-Plugin so installiert wurden, dass die SFO-Website direkt ins Fediverse postet, müssen die genauene Accountnahmen gesucht werden, um ihnen zu folgen. Die Profile sind wiederum auf der SFO-Website.)

Ist das mehr als Spielerei? Cope erprobt die Möglichkeiten, die das dezentrale Fediverse bietet (und die kommerzielle Plattformen nicht zulassen). Er erweitert den Raum für Online-Kommunikation und damit gesellschaftliche Interaktion. Terence Eden erinnert in einem Blog-Artikel über das SFO-Projekt passend daran, dass Menschen in Melbourne E-Mails an Bäume in der Stadt schreiben: “Dearest Golden Elm Tree, I finally found you! As in I see you everyday on my way to uni, but I had no idea of what kind of tree you are. You are the most beautiful tree in the city and I love you.” Es gibt also durchaus Interesse daran, mit Dingen im weitesten Sinne zu interagieren. Auch, wenn es seltsam scheint. Dass unser Kühlschrank Siri Nachrichten darüber schickt, dass die Milch ausgeht, nehmen wir übrigens hin, weil es existiert – und sich kommerziell lohnt.

Strich drunter – was soll mir das sagen? Für mich ist es gar nicht wichtig, wie gut das SFO-Projekt nun funktioniert – die Möglichkeit allein ist faszinierend. Nicht allein kommerzielle Kriterien sollten bestimmen, wie und mit wem wir online interagieren. Auf den großen, dominanten Plattformen beherrschen aber Algorithmen die Verbreitung und Kommunikation, die ausschließlich dem kommerziellen Mantra folgen, Menschen möglichst lang zu halten. Das SFO-Projekt ist für mich also ein Lichtstrahl für Online-Kommunikation, die vielleicht unsinnig ist – aber möglich. Was denkt Ihr?

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