Der Mit-Gründer und Chefredakteur des einflussreichen Technologieportals “The Verge”, Nilay Patel, fühlt einen kraftvollen Moment: Das Internet könnte sich noch einmal so radikal verändern wie in den 2010er Jahren. Und im Zentrum dieser Veränderung sieht Patel das Fediverse.
Seinen Dienst “The Verge” nennt Nilay Patel “the last website on earth“, und er meint das nur zur Hälfte als Witz. Zur anderen Hälfte sagt er damit: The Verge setzt bei der Verbreitung seiner Inhalte vor allem und zuerst auf die eigene Website, anders, als viele andere, die auf die Distribution über Plattformen wie Facebook, Insta oder TikTok setzen. Claus Hesseling hat mich auf diesen grandiosen Podcast aufmerksam gemacht: Normalerweise ist Nilay Patel der Host von “Dekoder”, in einer der letzten Episoden (wirklich hörenswert!) wird er aber selbst zum Gast, den der Videoblogger und Musiker Hank Green interviewt. Und Green lockt einige wichtige Erkenntnisse (hier zum Nachlesen) aus Nilay Patel. Zum Beispiel:
“Content isn´t king.”
Überraschung! Das Mantra mächtiger Medienmanager lahmt: Denn aus Patels Sicht bestimmt die Verbreitung über Plattformen heute den Inhalt, also: “Distribution” oder “Algorithm is king”, nicht der Content:
The distribution actually just creates the work or creates the pressures that force all the work to be the same. And I think over time that’s what drives the audiences away. So there’s a real change in how these platforms work, where, over time, they just become more and more of the same thing and the creators become more and more the same.
Quelle: The Verge
Dagegen fördert “open distribution” über Protokolle, jenseits der monolithischen Plattformen, beispielsweise im Fediverse, inhaltliche Varianz.
An audience shift and a technology shift – “I think we see that again”.
Patel vergleicht die Zeit heute mit der Zeit, als Plattformen wie Facebook entstanden. Damals übernahm die Gen X mit neuem Geschmack und anderen Gewohnheiten (audience shift) sowie viel Innovationskraft das Silicon Valley, und die Xer brachten ihre Smartphones (technology shift) mit, die die Mediennutzung revolutionierten. Dazu kam Venture Capital, das lose in den Hosentaschen saß und auf Vermehrung hoffte. Ähnliches könnte heute wieder passieren, sagt Patel mit Blick auf Facebook, Insta & Co.:
These platforms (…) are being enshittified. Left and right, people are looking for something else. (…) And then I think you do see some of these technology shifts elsewhere. I do think you see some of the action around the fediverse and decentralized social networks and the collapse of Twitter, and there’s just opportunity to build new kinds of products for audiences that are looking for something new or haven’t yet formed their habits.
Quelle: The Verge
Was für eine große Chance, und wie optimistisch. Allerdings fragt Patel auch, ob es heute wieder – wie damals – ausreichend Venture Capital gebe, um die Entwicklungen im Fediverse zu fördern.
“How would I reshape society around this?”
Nilay Patel betont die gesellschaftliche Dimension dieses Veränderungspotentials. Die Richtung ist ihm noch unklar, viele Fragen müssten noch benantwortet werden, aber:
Just that first action — I am on a website that looks like Instagram, and I can follow a creator that posts something that looks like tweets on this thing, and I can open yet another app and log in to both of them, and it will just show me everything — it is mind-expanding in one particular kind of way because the commercial internet has never allowed you to do these things.
Quelle: The Verge
Ein Marktplatz für Algorithmen sieht er als einen Ansatz für Innovation: Nicht ein Algorithmus sortiert Inhalte, im Angebot sind dagegen viele. Und wir Nutzenden suchen uns einen aus, der zu unserem Nutzungsziel passt. Patel sieht die offenen Protokolle als Keimzellen für Innovation: “Oh, wir haben etwas Neues erfunden und es fühlt sich gut an. Besser jedenfalls als die Frage: Welchem Milliardär vertraust Du heute?”
Meine Take-Aways
Wow, mich fasziniert dieser Podcast sehr, weil er so unendlich optimistisch ist mit Blick auf die Zukunft unserer Online-Kommunikation. Und wenn Nilay Patel schon so über das Fediverse spricht, dann muss es doch klappen, oder? Mir hat dieser Podcast den Anstoß gegeben, selber weiterzumachen und auszuprobieren.
TikTok für´s Fediverse? – The New Social
[…] eher nutzt als schadet. Von Loops.social habe gehört, nachdem ich einige Tage zuvor über Nilay Patel und seinen “powerful moment” geschrieben habe – ich finde, das […]
Geister im Fediverse – The New Social
[…] Netzwerk auf Basis des ActivityPub-Protokolls – an: Nach Metas Threads, dem Techportal The Verge, Flipboard und anderen (nicht zu letzt The New Social) folgen nun die Plattform “Ghost” […]