TikTok für´s Fediverse?

30 Sekunden lange Videos, hochkant, in einer Optik, die an TikTok erinnert: Der Fediverse-Entwickler Daniel Supernault entwickelt offenbar im Höllentempo eine Kurzvideo-App für´s Fediverse. “Loops.video” heisst sie. Erste Nutzer*innen testen bereits, und Screenshot zeigen, wie die App aussehen könte. Sogar ein Video mit ersten Bildern der App hat Pixelfed veröffentlicht. Auf Mastodon schreibt dansup, dass Nutzende später auch ohne eigenes Konto Videos scrollen können. Die Nutzung soll einfach sein: Swipen nach links öffnet die Kamera, Swipen nach rechts öffnet das Profil des aktuellen Videos.

Wirklich TikTok, oder vielleicht Vine? Der Name “Loops” erinnert ein wenig an die von manchen (auch von mir) heißgeliebte, aber zu jung verstorbene Kurzvideo-App “Vine”. Auf der Plattform konnten Nutzende 6 Sekunden lange, geloopte Videos veröffentlichen. 2012 übernahm Twitter Vine, 2016 entschied der Konzern dann, den Videodienst dichtzumachen. Loops wird zum Start einen einzigen Feed in chronologischer Reihenfolge bieten. “Das ist nicht der ideale Algorithmus, aber er funktioniert fürs Erste,” schreibt Entwickler dansup. “Dies ist der komplizierteste Aspekt von Loops. Nein, es sind nicht die Filter oder die Kamera, sondern der Algo(rithmus) und der Feed.” Und er arbeitet wohl auch an eine Text-to-Speech-Funktion, die wie bei TikTok das gesprochene Wort in Schrift darstellt.

Ergibt das irgendeinen Sinn, TikTok für´s Fediverse? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Braucht das Fediverse ein Angebot wie TikTok (oder Vine)? Die Entwicklung setzt nicht am Bedarf der Nutzenden an: Ich kenne keine Studien, die belegen, dass es einen Bedarf für ein Fedi-TikTok gibt. Dansup ahmt nach, nach dem Motto: Was in der kommerziellen Plattformwelt verfügbar ist, muss auch im Fediverse verfügbar sein.

Aus Imitation entsteht (manchmal) Innovation. Nach und nach entstehen Alternativen zu den kommerziellen, monolithischen Plattformen, die sich erstmal kaum von diesen unterscheiden (im Zweifel ist die Nutzung etwas holpriger, weil keine Millionen in die Produktentwicklung fließen können). Ein Hoffnungsschimmer: Nicht immer setzt sich der erste am Markt durch, siehe Snapchat vs. TikTok. Facebook hat einen guten Teil seines Erfolgs auf Imitiation aufgebaut, zuletzt mit Insta Reels. Also darf auch das Fediverse imitieren, und wahrscheinlich muss es das zu einem guten Teil auch, um in der aktuellen Phase Nutzenden anzuziehen.

Loops.video ist nicht die einzige Innovation im Fediverse. Dansup selbst steckt als Entwickler auch hinter Pixelfed, der Fotoplattform im ActivityPub-Protokoll (dieses Protokoll ist so etwas wie die Sprache des Fediverse, auch Mastodon spricht sie). Er kooperiert nach eigenen Worten mit den Entwicklern von Goldfish.social, die einen weiteren Dienst wie TikTok oder Vine im Fediverse anbieten wollen. Außerdem entwickelt Supernault selbst sup.app, einen Messenger für´s Fediverse. Und wusstet Ihr, dass Grindhold eine Flohmarkt-Software für das Fediverse entwickelt hat, den Nutzende auch selbst hosten oder hier ausprobieren können?

Diese Kreativität und Innovationsfreude begeistert mich. Es fühlt sich wirklich ein wenig so an, als würde das Internet noch einmal neu gebaut – dieses Mal aber so, dass es Demokratie eher nutzt als schadet. Von Loops.social habe gehört, nachdem ich einige Tage zuvor über Nilay Patel und seinen “powerful moment” geschrieben habe – ich finde, das passt!

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