Was ist passiert? Offenbar hat Mastodon in Deutschland seinen Status als gemeinnützige Gesellschaft (gGmbH) verloren. “Ohne vorherige Warnung oder Erklärung”, schreibt Rochko in einem Blogpost, habe das zuständige Finanzamt (nach der Adresse im Impressum müsste es das Berliner Finanzamt für Körperschaften III sein) Mastodons Gemeinnützigkeit widerrufen. Rochko schreibt, dass Mastodon zuvor noch erfolgreich eine Steuerprüfung hinter sich gebracht hatte. Jeder, der in Deutschland einen Verein als gemeinnützig eintragen lassen möchte, weiß um die Klippen und Hürden eines solchen Vorhabens.
Wir waren immer besorgt, dass die Entwicklung von Freier und Open-Source-Software vom deutschen Steuersystem nicht als gemeinnützig anerkannt werden würde. Deshalb waren wir froh, als das Finanzamt unsere Gemeinnützigkeit im Jahr 2021 anerkannte.
Quelle: Mastodon-Blog
Was passiert jetzt? Mastodon hat laut Blog-Eintrag Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Auch, wenn der Ratgeber Gemeinnützigkeit der Berliner Steuerverwaltung auf Seite 7 viele Möglichkeiten aufführt: Am Ende entscheidet ein Berliner Finanzbeamter (oder eine -beamtin), ob ein Unternehmen wie Mastodon gemeinnützig ist oder nicht – und das möglicherweise ohne einen blassen Schimmer davon, was dieses Unternehmen tut oder eben nicht tut.
Warum ist das katastrophal? Eine der aktuell zentralen Stützen alternativer Plattformen muss nun darum fürchten, dass es steuerbefreit Spenden einsammeln darf. An sich sollten Berlin, Deutschland und die EU stolz darauf sein, dass Mastodon aus Europa heraus operiert und Meta, TikTok oder Google die Stirn bietet. Berlin, Deutschland und Europa sollten Einrichtungen wie Mastodon nach Kräften fördern – die Bürokratie aber erledigt das Gegenteil, irre. Das kann man der Bürokratie gar nicht so sehr vorwerfen – es fehlt vor allem der politische Wille dafür, Infrastrukturprojekte als gemeinnützig einzustufen, die Gesellschaft stärken. Ähnliche Erfahrungen machen gerade diejenigen, die Journalismus endlich gemeinnützig machen wollen.
Was ist das Ausweg? Rochko schreibt in dem Blog-Eintrag eigentlich darüber, dass Mastodon ein Non-Profit-Unternehmen in den USA gegründet hat (offenbar mit Blick auf deutsche Steuerbehörden zur rechten Zeit). Im Mastodon-Blog schreibt CEO Eugen Rochko, Ziel sei, die Arbeit zu erleichtern, einschließlich der Möglichkeit, in den USA steuerlich absetzbare Spenden und Sachleistungen zu erhalten. Die Unternehmensgründung ändere nichts daran, dass Mastodon “an seiner Mission festhält, freie, dezentralisierte soziale Medien auf Open-Source-Basis anzubieten”. Das neue Unternehmen als formal “gemeinnützige Organisation zur Förderung von Religion, Ausbildung, sozialen Zwecken, Wissenschaft, Kunst, Sport, Kinderschutz oder Tierschutz” eingetragen, benannt nach dem Internal Revenue Code der USA (26 U.S.C. § 501(3)).
Was soll das Ganze? Mastodon operiert – wie viele Open-Source-Projekte im Fediverse – mit wenig Geld und muss sich als David gegen milliardenschwere Goliaths wie Meta oder TikTok behaupten. Eugen Rochko berichtete zuletzt mehrfach, dass er sich als Gründer jährlich nur 60.000 Euro Gehalt auszahle – ohne Sozialleistungen. Zuletzt schrieb er dies in einem Toot als Reaktion auf Kritik, Mastodon wolle mit der Unternehmensgründung irgendwelche Gelder verstecken – was wirklich Unsinn ist: welche Gelder?
Warum gibt es Kritik an der Unternehmensgründung? Vor allem mit Blick auf die Zusammensetzung des “Boards” sind die kritischen Töne mehr als das übliche Mastodon-Herumgeunke.Auf Mastodon schreiben Nutzende, im Board (so etwas wie der Aufsichtsrat) säßen Mitglieder aus den Bereichen Venture Capital und AI/Blockchain. Man kann das so sehen: Einer der Aufsichtsräte ist Biz Stone, der Twitter mitgründete und heute als Angel Investor auftritt. Ein anderer, Amir Ghavi, wird wegen seiner Rechtsberatung im Bereich AI/Blockchain kritisiert. Rochko weist die Kritik zurück: Ghavi bringe wichtige juristische Erfahrung mit, wenn Rochko selbst und andere Board-Mitglieder seine Sicht auf AI auch nicht teilten.
Björn Staschen
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