Kategorie: Newsletter

  • #3: Die digitale Brandmauer…

    #3: Die digitale Brandmauer…

    … und was sie mit StarTrek und Stricken zu tun hat.

    „Wir sind die Brandmauer.“ Gerade bin ich mit zehntausenden (lt. Veranstalter Fridays for Future 50.000, lt. Polizei 60.000) durch Hamburg gezogen. So eine freundliche, gute, energiegeladene Atmosphäre – und so ein wichtiges Signal. Mir tut es richtig gut, dabei zu sein. Gut, aber was hat das mit diesem Newsletter zu tun? Und erst recht mit Star-Trek und Stricken?


    Ich finde es faszinierend, wie wenig Verbindungen wir nach wie vor schlagen zwischen erstarktem Rechtsextremismus und dem, was auf (nicht-)sozialen Plattformen passiert. Nehmen wir Maja Göpel, Politökonomin und Transformationsforscherin, die auf der Kundgebung in Hamburg gesprochen hat.

    Was hat Maja Göpel gesagt? Vieles, was richtig ist: Wir brauchen Türen in der Brandmauer, damit Menschen auch zurück in die demokratische Mehrheit finden.✅ Unsere Gesellschaft ruht auf einem sozialen Vertrag, der verspricht, dass der Wohlstand allen zu Gute kommen muss. Das Versprechen müssen wir halten.✅ Und die Vermögenden müssen sich zur Gesellschaft bekennen und mehr leisten als heute, um sie zu schützen.✅ Aber dann sagte sie am Ende: „Ich bin Maja Göpel, und ihr findet mich bei all diesen sozialen Medien.“❌

    Ist das schlimm? Nein, schlimm finde ich das nicht wirklich. Aber wer so reflektiert über Rechtsextremismus und unsere Gesellschaft spricht, kann doch nicht ignorieren, welchen Anteil „diese sozialen Medien“ an eben dieser Entwicklung haben. Wie sehr sie Gesellschaft spalten, zeigt zum Beispiel eine aktuelle Studie. Immerhin: Maja Göpel postet auch auf Bluesky (über Bluesky habe ich im letzten Newsletter geschrieben). Göpels Bluesky-Posts finden sich nach wie vor auch auf X-Twitter, im Fediverse ist sie dagegen nicht aktiv. Übrigens anders als viele Fridays for Future Gruppen, die Mastodon stärken.

    Geht´s überhaupt um Maja Göpel? Überhaupt nicht! Es geht darum, dass wir alle nicht übersehen dürfen, welchen Anteil Plattformen wie Facebook, X-Twitter oder TikTok daran haben, dass die Ränder unserer Gesellschaft stärker werden. Die populärste Partei auf Plattformen wie Facebook, Insta und TikTok ist mit großem Abstand die AfD. Björn Höcke hat die höchste Engagementrate.

    Was meinst Du mit also „digitaler Brandmauer“? Wir müssen nicht nur raus auf die Straße, sondern auch im digitalen Raum das stärken, was nicht polarisiert. Das, was Posts transparent verteilt statt durch die Algorithmus-Blackbox. Mehr von uns müssen alternative Netzwerke nutzen, die nicht von US- oder chinesischen Konzernen beherrscht werden, deren Bosse zumindest in Teilen ein sehr seltsames Verständnis von Freiheit haben.

    Müssen also alle Facebook, TikTok & Co. verlassen? Nein, nicht missverstehen bitte – auch, wenn ich persönlich es ohne LinkedIn und Instagram versuche, ist das nicht für jeden der richtige Weg. Dafür sind die Plattformen zu tief in unsere Leben eingedrungen, und die Alternativen sind noch zu schwach. Aber: Wir werden mehr auf alternativen Plattformen. 💪💪

    Wie sind viele, auch digital.


    Ist Jean-Luc Picard auch im Fediverse? Wie finde ich heraus, wer dort aktiv ist? Es gibt einen ganz fantastischen Account, der täglich spannende Profile vorschlägt: FediFollows ❤️. Star-Trek-Fans zum Beispiel bekommen von „Star Trek Minus Context“ täglich Stills aus Star-Trek-Filmen (siehe oben). Genauso wie Trööts zu HomebrewingWissenschaftlichen Journalen oder, hey, Alaska.


    Gibt´s das auch irgendwo übersichtlich? Yep, das Fedi.Directory erinnert mich ein wenig an die frühen Seiten von Yahoo oder Altavista aus dem letzten Jahrtausend – ein Verzeichnis unzähliger Accounts, die schon im Fediverse unterwegs sind. Wir wär´s mit allen Nutzenden, die stricken , fischen oder Schach spielen – abgesehen natürlich von Außenpolitik und investigativem Journalismus.


    Spam überschwemmt das Fediverse


    Was ist da los? Das Fediverse erlebt in diesen Tagen eine miese Spamwelle. Seit rund zehn Tagen schicken neu eingerichtete Fediverse-Konten Einladungen an einen japanischen Discord-Server, der wohl von Trollen gesteuert wird, genauer: von japanischen Mittelschülern. Ziel der Attacke – war offenbar die Attacke selbst, ein Muskelspiel zwischen „Teenage Hackern“.

    Wie ging die Attacke zu Ende? Einer der Urheber gab irgendwann auf – in diesem sehr guten Text über die Attacke vermutet der Autor, „amex2189“ könnte entweder ein Opfer seiner Eltern geworden sein 👨‍👩‍👧‍👦, die informiert wurden und seine Geräte eingezogen haben 🤷‍♀️- oder er könnte festgenommen worden sein.

    Warum ist das wichtig? Weil das Fediverse lernen kann (und muss): Viele Server lassen eine offene Anmeldung zu, ohne Spam-Kontrolle oder andere Begrenzung. Das Fediverse lässt sich noch leicht überfordern mit einfachen Skripten. Und das Fediverse braucht leistungsfähige Moderationstools, um mit solchen Attacken umzugehen.

    Warum gibt es das nicht schon lange? Weil viel zu wenig Geld in die Entwicklung des Fediverse fließt. Vor allem Spenden der Nutzenden finanzieren die Server – aus meiner Sicht muss deutlich mehr staatliche Förderung in diese Infrastruktur fließen (statt beispielsweise hunderttausende Euro Standortförderung für Festivals wie die Online Marketing Rockstars auszugeben).

    Und sonst so?

    Bluesky öffnet sich. Das hatte die Plattform schon lange versprochen und dafür das „AT-Protokoll“ entwickelt: eine andere „Sprache“ als der Standard ActivityPub, den das Fediverse nutzt. Bisher lautete die Kritik an Bluesky: Es gibt zwar dieses offene Protokoll, aber trotzdem erlaubt die Plattform anderen Diensten nicht wirklich, es auch zu nutzen. Nun hat Bluesky erklärt, ab sofort zu förderieren, sich also zu öffnen.

    Mozilla macht die Biege und reduziert sein Investment in eine eigene Mastodon-Instanz: mozilla.social sieht die Stiftung (die auch den Firefox-Browser entwickelt) nicht mehr als Priorität, dafür soll mehr Geld in KI-Projekte fließen. Die Mastodon-Android-App will Mozilla nicht weiterentwickeln, die Entwickler kümmern sich künftig ohne Mozillas Hilfe um die App unter dem Projektnamen „Firefly„.


    Ein neues Handy aus Deutschland, weitgehend Google-frei: ShiftPhone hat sein Funding-Ziel für das ShiftPhone 8 erreicht: 3333 Nutzende haben vorbestellt. Interessant an dem Hersteller aus Falkenberg in Nordhessen neben der weitgehend fairen Fertigung (allerdings in China): Die Telefone können mit dem Betirebssystem ShiftOs-Light ausgeliefert werden, das weitgehend ohne Google-Apps und -Services auskommt. 

    Nach Hause telefonieren…


    Dieser Mann spricht mit der ISS. Mit einer selbst gebauten Antenne, das rechtfertigt ausnahmsweise einen Link zu Youtube. Wer schaut, braucht ein wenig Geduld. Aber dann antwortet plötzlich die ISS. Wer es auch probieren möchte: Es gibt sogar ein inoffizielles Programm für Amateurfunker, die hoch hinaus wollen.

    Das war´s für heute. Dieser Newsletter kommt über ein konzernfreies WordPress-Plugin zu Dir: Vielleicht läuft noch nicht alles rund? Dann freue ich mich, von Dir zu hören. The New Social ist kostenlos und bleibt es auch – mein Lohn wäre, wenn Du anderen vom Newsletter erzählst und mir hilfst, mehr Leser*innen zu finden. Danke!

    Kein Anschluss unter dieser Email-Adresse: Entschuldigt bitte – diese Adresse hat in den vergangenen Wochen noch nicht funktioniert, aber nun funzt sie. Schon wieder Danke an Dirk von Gehlen.

  • #2: Wie blau ist der Himmel?

    #2: Wie blau ist der Himmel?

    Die App Bluesky hat vergangene Woche mit einem Schlag 1,3 Millionen neue Nutzende angezogen.

    Was ist da passiert? Bisher brauchten Nutzende eine Einladung (genauer: einen Invite-Code), um sich zu registrieren. Seit dem Wochenende ist Bluesky offen für alle – die Registrierung funktioniert auch ohne Code.

    Warum hat Bluesky das gemacht? Die App hat sich bewusst langsam entwickelt, aber die Konkurrenz schläft nicht. Und wer wachsen will, braucht Nutzende. Was passiert ist, als der Invite überflüssig wurde, zeigt die Grafik unten: Die Zahl der Posts hat sich in zwei Tagen mehr als verdreifacht. Mittlerweile nutzen knapp 5 Millionen User Bluesky.

    Grafik von bsky.jazco.dev/stats

    Wow, total irre, oder? Geht so. Die Grafik zeigt auch, dass die Zahl derjenigen, die auf Bluesky posten, fast ebenso rasant wieder sinkt. Gegen 5 Millionen Bluesky-Nutzende ist X-Twitter mit 540 Millionen Nutzenden pro Monat ein Gigant. Ebenso Metas Twitter-Clone Instagram Threads mit 130 Millionen Nutzenden. So schnell wie Threads ist noch keine App gewachsen – aber schnelles Wachstum ist offenbar nicht nachhaltig.

    Wer ist der Elefant im Raum? Mastodon wächst definitiv nicht schnell, dafür aber verlässlich: Kein Vergleich zu Threads oder Twitter, aber dennoch: Mehr als 8 Millionen nutzen Mastodon, davon 1,5 Millionen aktiv. Keine schlechten Zahlen, trotz aller Unkenrufe, die das dezentrale Netzwerk „kompliziert“ finden. Viele Mastodon-Nutzende kommen aus Europa, Bluesky-Wachstum dagegen ist vor allem US-amerikanisch mit rund einem Viertel europäischer Nutzender.

    Grafik von mastodon-analytics.com

    Dezentral, zentral, hä?

    Was heisst dieses „dezentral“? Bluesky und Mastodon stehen für eine neue Ära sozialer Netzwerke: X-Twitter, Facebook oder TikTok versuchen, Nutzende möglichst lange auf ihrer Plattform zu halten. Es gibt keine Verbindungen nach außen – zentralen Plattformen, die hohe Zäune um sich herum errichtet haben. Anders die dezentralen Plattformen wir Bluesky oder Mastodon: Sie setzen darauf, dass sich neue Dienste entwickeln und andocken können. So hat es auch Bluesky-CEO Jay Graber gerade im Hardfork-Podcast beschrieben (hörenswert!). Nutzende können umziehen, ein wenig wie bei E-Mails: Wenn ihnen AOL nicht mehr passt, schreiben sie ihre Emails künftig von posteo. Beim Netzwerk-Umzug lassen sich sogar Follower und Adresse mitnehmen. Das funktioniert über Protokolle.

    Was sind diese dezentralen Protokolle? Vergleichen kann man sie mit einer Sprache, die Netzwerke sprechen, damit der Austausch funktioniert. Mastodon spricht „ActivityPub“, ein Protokoll, dass vom World Wide Web Consortium (W3C) verwaltet wird und damit anerkannt ist. „Activity Pub“ ist die Sprache des Fediverse, in der auch andere Plattformen wie Pixelfed für Fotos oder Peertube für Videos funktionieren.

    Welche Sprache spricht Bluesky? Bluesky nutzt – anders als Mastodon- das AT-Protokoll. Die Firma hinter Bluesky hat es selbst entwickelt, weil das Mastodon-Protokoll angeblich nicht nutzendenfreundlich genug sei. Auch über das AT-Protokoll könnte theoretisch ein dezentrales Netzwerk entstehen. Bisher ist aber Bluesky mehr oder weniger die einzige wirkliche Anwendung, die diese Sprache spricht (etwas einsam!). Sie wird auch nicht vom W3C unterstützt.

    Haben beide Protokolle gleiche Chancen? Ich glaube: Nein. Kaum anderen Anwendungen nutzen das AT-Protokoll, während Metas Threads angekündigt hat (das Thema ist einen ganzen Newsletter wert), ActivityPub zu nutzen, also zu „förderieren“ und sich dem großen Fediverse anzuschließen. Aus meiner Sicht wird dies früher oder später der Sargnagel für das AT-Protokoll und mutmaßlich auch Bluesky sein. Vielleicht erwähnt Bluesky-CEO Graber ActivityPub daher im Podcast auch mit keinem Wort?

    Wer steckt hinter Bluesky? Auch da gibt es große Unterschiede. Die Entwicklung von Bluesky hat noch Twitter-Gründer Jack Dorsey angeschoben. Erst kurz vor der Übernahme durch Elon Musk verabschiedete sich Bluesky aus dem Twitter-Konzern. Bluesky wird von Risikokapitalgebern finanziert, die am Ende mit ihrem Investment vor allem eines machen wollen: Gewinne! Wohin das führt, sehen wir bei Google, Meta & Co.

    Ist Mastodon „any better“? Schon: Mastodon entsteht eher als Graswurzel-Netzwerk. Gründer Eugen Rochko erzählte kürzlich in einem Podcast, dass das Netzwerk mit 2,5 Mitarbeitenden auskommen muss, er verdient rund 60.000 Euro im Jahr – ´n Tick weniger als Mark Zuckerberg.

    Was bräuchten also Mastodon und das Fediverse? Sie brauchen dringend mehr Geld, um bessere Apps und Schnittstellen zu entwickeln. Hier stoßen US-amerikanische Risikokapital-Finanzierung und europäische Hobbyprogrammierer mit Karacho zusammen. Bluesky hat Millionen in seine App finanziert, Millionen, die Mastodon und das Fediverse gern hätten. Andersherum: Wie eindrucksvoll ist das Mastodon-Wachstum mit Blick darauf, wie wenig Mittel zur Verfügung standen?

    Strich drunter – was mache ich jetzt? Mein Gefühl ist: Langfristig wird sich eher Mastodon durchsetzen. Wer heute Spaß an Experimenten hat, sollte auf beiden Plattformen spielen. Wer Kapazitäten sparen muss (weil vielleicht noch zu viel Kundschaft auf Youtube und Instagram unterwegs ist), lenkt seine Energie eher auf Mastodon.

    Wie grün werden Messenger?

    Was meinst Du nochmal mit Messenger? Wir alle nutzen sie: Threema (grau-grünes Appsymbol) , Signal (blau), Telegram (blau), iMessage (grün) oder WhatsApp (grün) – in dieser Reihenfolge mit abnehmender Datensicherheit – für kurze Nachrichten (und zunehmend auch für Nachrichten-Abos und Newsletter).

    Messenger sind bunt – warum wird´s grüner? Zum einen: So bunt ist die Messenger-Landschaft schon mal gar nicht, weil WhatsApp einen Marktanteil von über 90 Prozent hat.

    Verbraucherbefragung der Bundesnetzagentur 2023

    Aber der Marktanteil von WhatsApp sinkt doch? Das stimmt, aber noch immer nutzen drei Viertel der Deutschen die App. Der Streit um Datensicherheit oder Jugendschutz hat nur einige abgeschreckt. Aber auch die Europäische Union ließ ihre Muskeln spielen: Im Digital Markets Act hat sie unter anderem geregelt, dass große Anbieter bestimmte Dienste „interoperabel“ anbieten müssen – also: Wer WhatsApp nutzt, soll auch Signal-Freunde erreichen können.

    Wird das wirklich umgesetzt? Offenbar schon. WhatsApp-Direktor Dick Brouwer hat in einem Interview mit Wired beschrieben, wie sein Konzern die Regel umsetzen will: Zunächst sollen die Nachrichten anderer Dienste in einem eigenen Fenster in der WhatsApp-App sichtbar werden.

    Quelle: wabetainfo.com

    Das ist doch gut, oder? Kommt drauf an. Auch das ist ein Thema für einen eigenen Newsletter. Denn sichere, konzernunabhängige Messenger wie Signal oder Threema sehen die Interoperabilität sehr skeptisch, wie netzpolitik.org schrieb: Signal sieht vor allem die Gefahr, dass die Verschlüsselung von Nachrichten nicht mehr gewährleistet werden kann.

    Und sonst so?

    Quelle: Aargauer Zeitung

    Zahnbürsten sind gefährlich, oder? Wir haben diesen Eindruck schon lange. Spätestens, seit die Aargauer Zeitung darüber berichtete, dass Hacker Wifi-Zahnbürsten in ihre Bot-Armeen aufnehmen, fühlen wir uns bestätigt. Nach einem Interview mit der Sicherheitsfirma Fortinet warnte eine Schweizer Journalistin vor den Hacker-Zahnbürsten. Fortinet selbst aber beschrieb sie später nur noch als „theoretische Möglichkeit“. Und es gibt ernsthafte Zweifel an der Bot-Bürste, schade.

    Mehr deutsche Hochschulen auf Mastodon wünschen sich die Initiatoren einer Online-Petition. Sie appellieren an die Rektorenkonferenz, dass deutsche Hochschulen ihre Accounts bei X-Twitter löschen und „Präsenzen auf Mastodon und anderen Servern im Fediverse aufbauen“. Bisher haben rund 1000 Unterzeichner mitgemacht.

    „Die TikTok-Intifada“ hat die Bildungsstätte Anne Frank eine Untersuchung zur Hetze auf TikTok in Folge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel genannt. „KI-generierte Bilder vermeintlich getöteter palästinensischer Kinder werden millionenfach geteilt, um das antisemitische Motiv des ‚Kindermörders Israel‘ zu bedienen. Hinzu kommt eine Flut an offen die Shoah relativierenden Memes und Clips, die Israel mit dem NS-Regime gleichsetzen oder Gaza mit
    Auschwitz“, schreiben die Autorinnen der Studie.

    Das war´s für heute. Besonderer Dank geht an einen der ersten Abonnenten: Mr. Internet (aka Dirk von Gehlen). In seinem Newsletter Digitale Notizen hat er auf The New Social verwiesen, Dankesehr! Also: Abonniert seinen Newsletter – sozusagen das Insta-TikTok-Gegenprogramm zu The New Social.

    Schreibst Du auch Newsletter? Dann lass uns Hinweise tauschen! Ich
    hoffe, dass wir in etwa 14 Tagen wieder voneinander hören – es sei denn,
    Du schreibst mir schon vorher!

    Danke für´s Lesen und viele Grüße,

    Björn

  • #1: Abschiede und Anfänge

    #1: Abschiede und Anfänge

    … gibt es in diesen Tagen von den „großen“ Plattformen. Am Dienstag (30. Januar) verabschieden sich gleich mehrere große Stiftungen (ZEIT Stiftung Bucerius, Stiftung Mercator, Volkswagen-Stiftung und Robert-Bosch-Stiftung) sowie der Bundesverband Deutscher Stiftungen von X-Twitter (spricht: Ex-Twitter).

    Wie begründen die Stiftungen das? Sie erklären gemeinsam: „Wir treten ein für eine offene, demokratische Gesellschaft, für persönliche Freiheit und Menschenwürde, für faktenbasierte Information und konstruktiven Dialog. Seit der Übernahme durch Elon Musk ist dieses Wertesystem aus unserer Sicht auf X/Twitter regelrecht kollabiert.“  

    Warum ist das wichtig? Der Rückzug ist spannend, weil nach und nach (zumindest in Europa) relevante Accounts Musks Plattform den Rücken kehren und sie dadurch an Relevanz verliert. Mir zeigt das auch, dass keine der vermeintlich großen Plattform „too big to fail“ ist.

    Was bedeutet der Rückzug für die Stiftungen? Wichtig ist der Abschied aus meiner Sicht auch für sie: Denn wie können Institutionen auf der einen Seite für die Demokratie und die Werte unseres Zusammenlebens eintreten, wenn sie auf der anderen Seite eine Plattform wie X-Twitter mit Inhalten beschenken?

    Auf Einladung der Hamburger Agentur Mann beisst Hund habe ich kürzlich beim digitalen Stammtisch mit Wissenschaftskommunikatoren diskutiert. Wir haben dabei herausgefunden, dass die Entscheidung für oder gegen eine Plattform eben auch mit Blick auf die eigenen Werte getroffen werden sollte. Und wir haben gemeinsam „7 Learnings zur Social-Media-Strategie in Zeiten der digitalen Kommunikationsmonopole“ formuliert.

    Website Zeit Stiftung Bucerius

    Wie sind die Reaktionen auf den Stiftungs-Rückzug? Sie reichen von „Eine gute Entscheidung. Wichtig finde ich auch, sie in dieser Form öffentlich zu machen.“ (Nicola Wessinghage auf LinkedIn) bis „4 Stiftungen kriegen ihren Scheiss zusammen und erkennen das Offensichtliche“ (@rumhirschen.bsky.social).

    Meine 50 Cent: Ich finde den Schritt dann großartig, wenn er ein „erster Schritt“ ist. Der zweite wäre, jetzt mit Experimenten und Kommunikation auf alternativen Plattformen zu beginnen – welcome to the Fediverse! Ein eigener Server für Stiftungen wäre doch prima.

    Gibt es Vorbilder?

    Unbedingt. Viele Institutionen wandern zu Bluesky (dazu in einem späteren Newsletter mehr) oder Mastodon, darunter die EU-Kommission, die NGO Human Rights Watch oder Medien wie die Tagesschau oder netzpolitik.org. Ein Mastodon-Pionier war der Bundesdatenschutzbeauftragte. Passt ja auch – wer sich um Datenschutz kümmert, verträgt sich nicht mit Meta & Co.

    Der Datenschutzbeauftragte initiierte auch die Instanz bund.social, auf der sich mittlerweile viele Ministerien und Institutionen tummeln. Der aktuelle Datenschutzbeauftragte, der SPD-Politiker Ulrich Kelber, stärkt also aktiv alternative Plattformen, während einige andere sich nur auf X-Twitter oder Instagram tummeln. Kelber macht seinen Job offenbar auch sonst zu gut: So gut, so dass er wohl keine zweite Amtszeit erleben wird. Bitter.

    Wer sagt noch „Bye, bye“?

    Seinen Abschied nimmt auch einer meiner Internet- und Newsletter-Helden: Sascha Pallenberg verlässt (wie viele andere Newsletter-Schreiber auch) die Plattform Substack. Er schreibt:

    „Während in Deutschland Nazis planen, meine Freund:innen und Mitbürger:innen, die ich zum Teil seit dem Kindergarten kenne, zu deportieren. Während in meiner alten Heimat die Straßen täglich vollgepackt sind mit Menschen, die friedlich und kreativ für unsere demokratischen Werte einstehen… in so einer Zeit kann ich das Geschäftsmodell von Substack nicht weiter unterstützten.“

    Was ist denn da passiert? Im November hatte The Atlantic berichtet: „Substack has a Nazi problem.“ Die laxe Moderation auf der Newsletter-Plattform sei ein gefundenes Fressen für weiße Nationalisten, die ihre Botschaften ungehindert verbreiten könnten. Das saß. Doch Substack-Mitgründer Hamish McKenzie reagierte leider ebenso lax auf die Kritik. Er schrieb (hier übersetzt): Wir mögen auch keine Nazis – wir wünschen uns, dass niemand diese Ansichten vertritt. Aber (…) wir glauben nicht, dass Zensur (auch nicht durch das Verbot von Publikationen) das Problem beseitigt – im Gegenteil, sie macht es noch schlimmer.“

    Warum sprechen wir überhaupt über Substack? Viele von uns hatten gleich mehrere Hoffnungen mit Substack verbunden: Die Plattform bot eine gute Möglichkeit, mit Newslettern auch Geld zu verdienen. Und als die Welt (oder Europa?) um Twitter trauerte, galt zwischendurch Substack als Retter: Mit seinem Dienst „Notes“ hatte die Plattform (wie einige andere) einen Twitter-Clon geschaffen.

    Und nun? Das, was einige der Tech-Bosse im Silicon Valley unter „freier Meinungsäußerung“ verstehen, passt nicht zu den Werten, die unsere Demokratie definieren. Und die Plattformen, die nicht ausreichend in ihre Moderation investieren, geraten früher oder später in unruhige See. Das gilt für Twitter wie für Substack wie für Insta/Threads oder den nächsten Hype. Wir müssen also (Achtung, Überraschung 🎉) Alternativen stärken.

    Ist bei Mastodon alles in Butter? Überhaupt nicht, aber das würde (auch) einen anderen Newsletter füllen. Nur so viel: Gerade hat Bluesky-Chefin Jay Graber Mastodon kritisiert, jeder könne den frei verfügbaren Feidverse-Code nutzen und missbrauchen. That also means people whose values drastically diverge from yours can use the code, grab it and run with it.“ Tbc.

    … und einige Anfänge

    Wer startet was? „The Future Is Federated.“ Sehr spannend finde ich den stufenweisen Einstieg von Flipboard ins Fediverse. Flipboard gibt jedem die Möglichkeit, Inhalte in einer digitalen Zeitschrift zusammenzustellen – und andere können sie abonnieren (ist das zu sehr vereinfacht?). Eine „soziale Nachrichten-App“.

    Warum macht Flipboard das? Im Dezember schrieb Flipboard-CEO Mike McCue, Flipboard starte nun seine „Föderation“, verbindet sich also mit dem Fediverse. Seitdem können Mastodon- oder Friendica-Nutzende auch Flipboard-Accounts folgen. Erst waren es nur ein paar, mittlerweile sind es viele. „Wir hoffen, dass wir als Inspiration für andere Anwendungen und Dienste dienen können, die den Umzug ins Fediverse in Erwägung ziehen. Wenn sich mehr Dienste zusammenschließen, wird der Wert des Fediverse exponentiell steigen und wir werden eine lebendigere und interoperable Ära für die Menschen einläuten, die großartige Inhalte erstellen, und für jeden, der sie genießt.“

    Wer folgt Flipboard? Auch tumblr entwickelt seit 2022 seinen Code so weiter, dass die Plattform sich mit dem Fediverse verbinden kann. Dafür muss sie ihre Dienste auf den „Activity Pub“-Standard umstellen, wohl ein dickes Brett: Denn seit 2022 gibt es wenig über das Experiment zu hören.

    Also nur ein Sturm im Wasserglas? Ich hoffe nicht. Entscheidend ist, dass dem Fediverse (und mit Einschränkungen auch Bluesky) ein offener Standard zu Grunde liegt, an den andere Plattformen andocken können. Auch Threads von Meta tut das – nicht nur unter Applaus der Feidverse-Community. Aber dazu auch mehr in einem späteren Newsletter.

    Und sonst so?

    Was gut ist, ist nicht nur gut: Der Digital Services Act der Europäischen Union soll Verbraucherrechte gegenüber großen Plattformen wie TikTok, Insta oder Facebook stärken. Die Richtlinie könnte aber auch dazu führen, dass die Daten von Nutzenden massenhaft an Behörden weitergegeben werden, schreibt heise online.

    Beeinflusst Meta die US-Wahl? Bestimmt. Aber wie sehr das geschieht, darüber soll auch das Meta Oversight Board wachen, ein fragwürdiges Aufsichtsgremium. WIRED hat Board-Mitglied Pamela San Martín gefragt, ob Meta seine Hausaufgaben macht vor der Wahl. Die Antwort: „Bei der Durchsetzung seiner Gemeinschaftsstandards versäumt es Meta manchmal, den weiteren politischen und digitalen Kontext zu berücksichtigen.“

    Das Internet als Internet gibt´s auf der experimentellen Website diagram.website. Für mich ein wunderbares Bild dafür, was Tim Berners-Lee mit „universell“ und „verbunden“ gemeint hat.

    Das war´s für heute. Ein privates Herzensprojekt zwischen Familie und Job: Ich hoffe, dass wir in etwa 14 Tagen wieder voneinander hören – es sei denn, Du schreibst mir schon vorher!

    Danke für´s Lesen und viele Grüße,

    Björn