Kategorie: Blog

  • Bluesky: Nur wer zahlt, bekommt Moderation?

    Bluesky: Nur wer zahlt, bekommt Moderation?

    „The heat is on“ zwischen Mastodon und Bluesky. Beide wollen das Web und soziale Netzwerke neu erfinden. Beide setzen auf Protokolle, die eine dezentrale Struktur fördern: Mastodon ist eben nur ein Teil des Fediverse, das sich über das ActivityPub-Protokoll verknüpft. Und Bluesky setzt auf das selbst entwickelte AT-Protokoll und lässt langsam auch Drittserver zu.

    Große Unterschiede zwischen beiden Netzwerken (Standards/Protokollen) gibt es aber trotzdem, insbesondere mit Blick auf wirtschaftliche Fragen. Denn Bluesky will und muss Geld verdienen, Mastodon dagegen eher nicht – ein zentraler Unterschied. Bluesky-CEO Jay Graber hat das im Decoder-Podcast von Nilay Patel (Chefredakteur The Verge) bekräftigt (und es ist an sich ja auch nichts dagegen einzuwenden, wenn man zum Beispiel Schrauben verkauft – aber bei einem Forum für Meinungsbildung?):

    Ja, wir wollen Geld verdienen, und wir versuchen, unser Bestes dafür zu tun.

    Bluesky-CEO Jay Graber im Decoder-Podcast

    Warum muss Bluesky Geld verdienen? Mastodon ist ein rauflustiges Hobby-Netzwerk vieler kleiner Server, die sich zum Teil über Spenden finanzieren. Bluesky dagegen ist mittlerweile als PBCCorp („Public Benefit C Corporation“) registriert (übrigens im steuerfreundlichen Delaware, in dem Bilanzen selten veröffentlicht werden müssen). Das bedeutet: Bluesky arbeitet „im gewöhnlichen Sinne gewinnorientiert“ (Quelle: University of Texas), und leitende Angestellten haben „eine treuhänderische Verantwortung gegenüber den Aktionären“, Gewinne zu machen. Das Unternehmen berichtet immerhin einmal im Jahr, wie es seinen zusätzlichen gemeinnützigen Auftrag erfüllt hat, nun dann!

    Wer steckt nochmal hinter Bluesky? Wir erinnern uns: Entstanden ist Bluesky innerhalb des Twitter-Konzerns. Vor der Musk-Übernahme setzte Bluesky-CEO Jay Graber durch, Bluesky als unabhängiges Unternehmen auszugründen. Twitter-Gründer Jack Dorsey gab 13 Millionen US-Dollar und sitzt seitdem (zusammen mit Jeremie Miller und Graber) im Aufsichtsrat. Zuletzt sammelte Bluesky 8 Millionen Euro frisches Kapital von Investoren ein. Anteile des Unternehmens gehören offenbar auch den Mitarbeitenden: Micah Lee hat für The Intercept im Juni vergangenen Jahres (da war Bluesky noch eine PBLLC) recherchiert, wie unabhängig Bluesky vom Venture Capital einiger Milliardäre operieren kann: „Is Bluesky Billionaire-Proof?“

    Jay Graber talking at conference.
    Jay Graber bei einer Konferenz 2018. Quelle: MIT Bitcoin Club, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons

    Wie will Bluesky denn Geld verdienen? Bluesky-CEO Jay Graber nennt im Decoder-Podcast im wesentlichen drei Einnahme-Wege, die das Netzwerk prägen könnten:

    1. Bluesky verdient Geld mit Hosting und Domainvergabe

    Wer Bluesky nutzt, kann seinen Domainnamen als Bluesky-Namen verwenden (ich zum Beispiel bin bei Bluesky @bjoernsta.de, weil meine private Website bjoernsta.de ist). Die Einrichtung ist für Laien wie mich nicht ganz unkompliziert, daher soll es helfen, dass Bluesky die Domains gleich mit verkauft und mit dem Bluesky-Namen verbindet. Und weil immer mehr Bluesky-Anwendungen außerhalb der Firma Bluesky entstehen, will die Firma auch Serverplatz vermieten, sagt Graber im Podcast. Dafür arbeitet Bluesky mit Namecheap zusammen.

    2. Bluesky könnte Nutzendendaten zu Geld machen

    Denn trotz dezentraler Struktur und Server sausen die Nutzendaten (auch) über die Server des Bluesky-Unternehmens. Die Datenschutzerklärung regelt, dass Bluesky Daten für Marketingzwecke nutzen und im Fusionsfall auch mit neuen Besitzern teilen darf.

    3. Bluesky verdient Geld mit Moderation und Algorithmen

    Schon jetzt haben Bluesky-Nutzende rund 40.000 Algorithmen programmiert – zum Beispiel, um Screenshots von Twitter aus der Timeline zu werfen. Jay Graber sagt im Decoder-Podcast, dass sie auch hier wirtschaftliche Chancen sieht:

    Wir haben im Wesentlichen Marktplätze innerhalb der App aufgebaut. Wir haben also Informationsmarktplätze, Moderationsmarktplätze. Das ist eine Richtung, die wir einschlagen werden.

    Bluesky-CEO Jay Graber im Decoder-Podcast

    Bedeutet das perspektivisch: Wer viel zahlt, bekommt eine Timeline ohne Hass und Hetze, wer wenig zahlt, eher nicht? Wahrscheinlich eine unzulässige Zuspitzung. Aber von Moderationsqualität finanziell zu profitieren, legt aus meiner Sicht die Axt an genau das, was einen Marktplatz der Meinungen ausmachen sollte: eine Moderation, die eben frei ist von kommerziellen Interessen. Wo ist sonst der Unterschied zu Elon Musks X-Twitter? Jay Graber klingt für mich hier wenig überzeugend, bei aller Begeisterung, die der Algorithmus-Marktplatz auch (bei mir) auslöst.

    Wir glauben wir wirklich, dass Geld dem Wert folgt. Wenn wir diesen Wert nachweisen können und die Leute das wirklich wollen, dann können wir mit dem Angebot von Dienstleistungen in diesem Ökosystem Geld verdienen.

    Bluesky-CEO Jay Graber im Decoder-Podcast

    Also Strich drunter: Was willst Du mir sagen? Für mich ist Bluesky, bei aller Innovations- und Technologiefreude, vom Grundsatz her, wegen seiner Verfasstheit als gewinnorientiertes Unternehmen, nicht dazu geeignet, auf Dauer ein Marktplatz unabhängiger Kommunikation zu sein. Es reicht für mich nicht, dass Bluesky das im Moment vielleicht ist. Denn das war Twitter wohl auch mal. Und daraus sollten wir doch lernen, oder?

  • Mein liebster Mastodon-Client: Phanpy…

    Mein liebster Mastodon-Client: Phanpy…

    … zumindest im Moment. Phanpy ist eine Webanwendung und funktioniert super sowohl auf dem Desktop-Rechner als auch auf meinem Android-(genauer: e/os-)Telefon im Firefox-Browser. Benannt wurde die Anwendung nach einem Pokemon: Phanpy ist dort ein kleines, vierbeiniges und elefantenähnliches Wesen, meist in hellblau und weiß.

    Was ich an Phanpy gern mag: die Kombination aus sehr übersichtlicher, klarer Nutzeroberfläche und einem großen Reichtum an Funktionen. Vieles verbirgt sich unter dem Home-Button oben rechts. Ich liebe Phanpy dafür, dass sich Trööts nachträglich bearbeiten lassen (erlaubt nicht jeder Client, siehe unten). Der absoulte Star ist Phanpy für mich aber. weil es neben dem „Boost“ auf die Funktion enthält einen Trööt zu zitieren – also „Quote“ in guter alter X-Twitter-Manier. Die Mastodon-Entwickler arbeiten daran, diesen Standard regelhaft einzuführen, Phanpy aber bietet ihn schon heute. In der Desktop-Version gibt es zudem die Möglichkeit, Phanpy in mehreren Spalten zu nutzen. Mich erinnert das schwer ans gute, alte Tweetdeck, das ich auch ein wenig vermisse.

    Kurzum: Phanpy ist im Moment mein Favorit. Ich habe mir aus dem Browser ein Lesezeichen direkt auf den Homescreen gelegt und nutze die Webanwendung nun regelmäßig und freue mich über sie. Sie aktualisiert auch flott und hat mich bisber nicht mit Bugs genervt. Fünf Sternchen!

    Mindestens vier Sternchen bekommen außerdem die Apps Mastify und Megalodon. Mastify erlaubt es leider nicht, Trööts nachträglich zu editieren. Megalodon dagegen schon – eine leistungsfähige Erweiterung des ursprünglichen Mastodon-Clients und auch für iPhones verfügbar.

  • Zuckerberg im Fediverse – und gleich der populärste Account?

    Zuckerberg im Fediverse – und gleich der populärste Account?

    Am Donnerstag tauchte plötzlich der erste Post/Trööt/Whatever von Mark Zuckerberg im Fediverse auf: „First Post in the Fediverse.“ Was? Genau. Und seitdem zeigt die Fediverse-Statistik ihn auch gleich als popuärsten Account an, mit mehr als 4 Millionen Followern, gefolgt von Mastodon und Adam Mosseri, dem Instagram-Chef.

    Warum ist Mark Zuckerberg im Fediverse? Hä? Technisch hat Zuckerberg irgendwie recht, aber irgendwie auch nicht. Denn gepostet hat er auf Threads, dem jungen Ein-Bisschen-Wie-Twitter-Dienst von Instagram. Seit 21. März ist Threads nach offiziellen Angaben „mit dem Fediverse verbunden“, also mit Diensten wie Mastodon, Pixelfed, Peertube oder anderen. Der Threads-Mutterkonzern Meta schreibt in seinem Blog:

    Threads has entered the fediverse! As part of our beta experience, now available in a few countries, Threads users aged 18+ with public profiles can now choose to share their Threads posts to other ActivityPub-compliant servers.

    Quelle: Meta

    Ist Threads also wirklich im Fediverse? Irgendwie nicht. Nur Nutzende in einigen Ländern (USA, Kanada und Japan), die älter als 18 Jahre alt sind, können derzeit aktiv auswählen, dass sie ihre Posts auch im Fediverse teilen. Andere Länder, vor allem in Europa, sollen folgen. Bisher sind Posts von Threads.net im Fediverse nur zu lesen. Threads-Nutzende sehen nur, wieviele Likes sie bekommen, nicht aber, von wem. Und Antworten und Kommentare sehen sie auch nicht.

    Ist Zuck wirklich der beliebteste Fediverse-Bewohner? Nöö, denn er sieht ja gar nicht, was mit seinen durchgestochenen Nachrichten im Fediverse passiert. Das ist in etwa so, als würde jemand laut seine Botschaften rufen, sich aber für Antworten oder Reaktionen nicht interessieren.

    Wie ernst meint es Meta also wirklich mit dem Threads-Anschluss ans Fediverse? Sehr ernst, sagt Meta: Das Ziel sei, Threads „fully interoperable“ zu machen, also vollwertig förderiert. Insta-Chaf Adam Mosseri schrieb in einem Thread auf Threads (?!), es werde mehr als ein Jahr dauern, bis Threads und das Fediverse vollwertig miteinander sprechen können.

    Ist die Threads-Föderation nun gut oder schlecht? Darüber gibt es extrem unterschiedliche Ansichten. Die einen sagen: Prima. Wenn ein Dienst mit (zumindest zwischenzeitlich) mehr als 100 Millionen Nutzenden das Fediverse-Protokoll ActivityPub nutzt, hilft das dem Dienst. So hat es auch Mastodon-Gründer Eugen Rochko im Flipboard-Podcast gesagt. Andere sehen große Gefahren für das Fediverse – drei Buchstaben stehen dafür: EEE.

    Was heisst EEE? Die drei Buchstaben stehen für „Embrace, Extend, Extiniguish“. Zunächst „umarme“ (embrace) ein Tech-Riese wie Meta das ActivityPub-Protokoll und damit die Sprache des Fediverse. Die Mastodon- und Threads-Communities verwachsen miteinander (vor allem Mastodon, denn der Dienst ist Threads am ähnlichsten). Anschließend erweitert (extend) der Tech-Riese sein Angebot für die eigenen Nutzer, verwässert das Protokoll und benachteiligt die ursprünglich Nutzenden, um sie dazu zu bringen, den eigenen Dienst zu nutzen, hier also Threads. Und schließlich kappt der Tech-Riese seine Verbindung wieder. Zurück bliebe – im Falle von Threads – ein belangloses Mastodon.

    Will Meta also das Fediverse auslöschen? Diesen Plan hat niemand geäußert. Und ich vermute, derzeit verfolgt ihn auch im Geheimen niemand. Aber niemand kann abstreiten, dass die Föderation von Threads diese Gefahr birgt. Dem XMPP-Chatprotokoll ist Vergleichbares passiert, als Google zunächst mitspielte und dem Protokoll dann den Hahn abdrehte. Eugen Rochko dagegen sagt: Schlimmer als vor der Threads-Föderation werde Mastodon auch nach einer EEE-Attacke nicht dastehen. Auch heise hat die Diskussion gut zusammengefasst.

    Warum sonst sind Fediverse-Freunde gegen die Threads-Föderation? Mit der Förderation von Threads sind alle Trööts auch im Meta-Netzwerk sichtbar. Manche sehen darin die Gefahr, dass Meta massenhaft Informationen abschöpfen wird – und angesichts von Geschäftsmodell und Geschichte (die Rede ist von „new surveillance-capitalism overlords„) ist das nicht an den Haaren herbeigezogen. Die Threads-Datenschutzrichtlinie legt fest, dass Meta auch die Daten aus dem Fediverse nutzen wird, „um Threads zu verbessern“.

    Kann sich das Fediverse denn wehren? Das ist der Charme: Jeder Fediverse-Server („Instanz“) kann selbst entscheiden, ob sie mit Threads kommuniziert oder nicht. Es gibt bereits eine lange Liste von Instanzen, die sich gegen eine Föderation mit Threads entschieden haben, darunter digitalcourage.social, chaos.social oder troet.cafe.

    Also Strich drunter, was denn jetzt? Ich bin eher beruhigt, dass es viele Stimmen gibt, die die Threads-Förderation entspannt beobachten. Denn die Meta-Entscheidung zeigt auch: Dem ActivityPub-Protokoll trauen auch Tech-Riesen vieles zu, und das ist doch super! Threads muss aber auf mittlere Sicht die Möglichkeit anbieten, mit einem Account zu einem anderen Server – weg von Meta – umzuziehen – erst dann hält Meta das Versprechen, dass das Fediverse gibt: ein Netzwerk, in dem Menschen frei entscheiden können, durch welche Tür sie es betreten. Und: Sicher steckt in der Förderation auch eine Gefahr, sicher wird Meta die Daten nutzen, um Gewinne zu maximieren. Aber auch das Fediverse wächst fleissig: Am 18. März hat Mastodon die 15-Millionen-Grenze gesprungen. Ganz so klein ist der David also auch nicht, mit dem der Goliath Meta sich hier anlegen würde.

  • TikTok für´s Fediverse?

    TikTok für´s Fediverse?

    30 Sekunden lange Videos, hochkant, in einer Optik, die an TikTok erinnert: Der Fediverse-Entwickler Daniel Supernault entwickelt offenbar im Höllentempo eine Kurzvideo-App für´s Fediverse. „Loops.video“ heisst sie. Erste Nutzer*innen testen bereits, und Screenshot zeigen, wie die App aussehen könte. Sogar ein Video mit ersten Bildern der App hat Pixelfed veröffentlicht. Auf Mastodon schreibt dansup, dass Nutzende später auch ohne eigenes Konto Videos scrollen können. Die Nutzung soll einfach sein: Swipen nach links öffnet die Kamera, Swipen nach rechts öffnet das Profil des aktuellen Videos.

    Wirklich TikTok, oder vielleicht Vine? Der Name „Loops“ erinnert ein wenig an die von manchen (auch von mir) heißgeliebte, aber zu jung verstorbene Kurzvideo-App „Vine“. Auf der Plattform konnten Nutzende 6 Sekunden lange, geloopte Videos veröffentlichen. 2012 übernahm Twitter Vine, 2016 entschied der Konzern dann, den Videodienst dichtzumachen. Loops wird zum Start einen einzigen Feed in chronologischer Reihenfolge bieten. „Das ist nicht der ideale Algorithmus, aber er funktioniert fürs Erste,“ schreibt Entwickler dansup. „Dies ist der komplizierteste Aspekt von Loops. Nein, es sind nicht die Filter oder die Kamera, sondern der Algo(rithmus) und der Feed.“ Und er arbeitet wohl auch an eine Text-to-Speech-Funktion, die wie bei TikTok das gesprochene Wort in Schrift darstellt.

    Ergibt das irgendeinen Sinn, TikTok für´s Fediverse? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Braucht das Fediverse ein Angebot wie TikTok (oder Vine)? Die Entwicklung setzt nicht am Bedarf der Nutzenden an: Ich kenne keine Studien, die belegen, dass es einen Bedarf für ein Fedi-TikTok gibt. Dansup ahmt nach, nach dem Motto: Was in der kommerziellen Plattformwelt verfügbar ist, muss auch im Fediverse verfügbar sein.

    Aus Imitation entsteht (manchmal) Innovation. Nach und nach entstehen Alternativen zu den kommerziellen, monolithischen Plattformen, die sich erstmal kaum von diesen unterscheiden (im Zweifel ist die Nutzung etwas holpriger, weil keine Millionen in die Produktentwicklung fließen können). Ein Hoffnungsschimmer: Nicht immer setzt sich der erste am Markt durch, siehe Snapchat vs. TikTok. Facebook hat einen guten Teil seines Erfolgs auf Imitiation aufgebaut, zuletzt mit Insta Reels. Also darf auch das Fediverse imitieren, und wahrscheinlich muss es das zu einem guten Teil auch, um in der aktuellen Phase Nutzenden anzuziehen.

    Loops.video ist nicht die einzige Innovation im Fediverse. Dansup selbst steckt als Entwickler auch hinter Pixelfed, der Fotoplattform im ActivityPub-Protokoll (dieses Protokoll ist so etwas wie die Sprache des Fediverse, auch Mastodon spricht sie). Er kooperiert nach eigenen Worten mit den Entwicklern von Goldfish.social, die einen weiteren Dienst wie TikTok oder Vine im Fediverse anbieten wollen. Außerdem entwickelt Supernault selbst sup.app, einen Messenger für´s Fediverse. Und wusstet Ihr, dass Grindhold eine Flohmarkt-Software für das Fediverse entwickelt hat, den Nutzende auch selbst hosten oder hier ausprobieren können?

    Diese Kreativität und Innovationsfreude begeistert mich. Es fühlt sich wirklich ein wenig so an, als würde das Internet noch einmal neu gebaut – dieses Mal aber so, dass es Demokratie eher nutzt als schadet. Von Loops.social habe gehört, nachdem ich einige Tage zuvor über Nilay Patel und seinen „powerful moment“ geschrieben habe – ich finde, das passt!

  • Dieses dezentrale Netzwerk wird schon 25 Jahre alt!

    Dieses dezentrale Netzwerk wird schon 25 Jahre alt!

    Kennt Ihr das Logo? Es ist das Logo der RSS-Feeds. Und die feiern heute ihren Geburtstag. Am 15. März 1999 wurde das erste RSS-Protokoll veröffentlich, RSS 0.90, also: Happy Birthday, RSS ! Und obwohl sie schon silbernes Jubiläum begehen, finden RSS-(steht für Rich Site Summaries)Feeds gerade in diesen Tagen wieder neue Freunde. Warum? Sie helfen dabei, Texte von vielen unterschiedlichen Webseiten in einer App zu lesen – also in etwa so wie die Timeline von Facebook, nur eben ohne Facebook. Das ist super und findet mehr und mehr Freunde, weil RSS-Feeds eine der „Sprachen“ sind, in denen das offene Internet funktioniert.

    Der RSS-Feed von thenewsocial.de/feed

    Was sind RSS-Feeds? Sie sind ein früherer Standard, um Inhalte einer Website für andere Websites zugänglich zu machen. Man muss sich diese Feeds vorstellen wie sich selbst aktualisierende, einfache Verzeichnisse, die den Inhalt einer Website abbilden (siehe Screenshot oben). Mit ihnen lassen sich Webseiten abonnieren – und über Leseapps wie beispielsweise Feedly (für Android) lesen. In meiner Feedly-App lese ich also das Neueste von The Verge, Techgadget, netzpolitik.org und anderen, ohne die Webseiten zu besuchen.

    Wann entstanden RSS-Feeds? Sie entstanden zu einer Zeit, in der im Internet noch alles möglich schien, in der selbst bei großen Tech-Konzernen wie Apple Menschen wie Ramanathan V. Guha arbeiteten. Er brachte das offene Web voran und errichtete eben nicht zuvörderst abgeschlossene Silos , die Nutzende möglichst lange bei sich halten, wie Facebook, Insta, TikTok oder LinkedIn heute. Guha wechselte 1997 zu Netscape – erinnert sich noch jemand an den Browser, der in den frühen Internet-Tagen mit dem Internet Explorer konkurrierte?

    Ein Treppenwitz der Tech-Geschichte: Netscape wurde an der Universität Illinois ursprünglich als „Mosaic-Browser“ von einem jungen Mann namens Marc Andreesen entwickelt. Andressen hatten die Ideen, die Tim Berners-Lee für ein offenes Internet in Protokolle umgesetzt hatte, begeistert. Später verkaufte Andreesen Netscape und investierte seinGeld in Firmen, die das Internet dfann ins Gegenteil verkehrten: Facebook oder Twitter. Heute ist Andreesen auch einer der Tech-Bosse, die ein ganz eigenes, undemokratisches Verständnis von „free speech“ im Internet vertreten.

    Bei Netscape entstand im März 1999 der RSS-Vorgänger RDF, der im Juli dann als RSS 0.9 auf den Markt kam. Danach aber passierte nicht mehr viel – was möglicherweise auch damit zu tun hat, dass Marc Andreesen schon damals wenig von einem offenen Internet hielt. Denn das nur die Welt etwas besser machen, ihn dagegen nicht schnell reicher. 2001 stellte Netscape seinen RSS-Support im Browser ein, aber andere Entwickler blieben dran (auch Mozilla nahm den RSS-Support in seinen Browser auf). 2003 nahm die Harvard-Universität das RSS-Format dann unter ihre Fittiche und schuf ein RSS Advisory Board, das nach einem Neustart 2006 bis heute existiert und der Grundidee leidenschaftlich verhaftet bleibt:

    There’s a resurgence of interest in RSS today as people discover the exhilarating freedom of the open web. Some of this is due to dissatisfaction with deleterious changes at big social sites like Twitter and Reddit. Some is due to satisfaction with Mastodon, a decentralized social network owned by nobody with more than one million active users. As long as there are social media gatekeepers using engagement algorithms to decide what you can and can’t see, there will be a need to get around them. When someone offers an RSS or Atom feed and you subscribe to it in a reader, you get their latest updates without manipulation.

    Quelle: https://www.rssboard.org/

    Weil das so eindrücklich ist, übersetze ich es auch auf Deutsch:

    Das Interesse an RSS steigt heute wieder, weil die Menschen die berauschende Freiheit des offenen Webs entdecken. Zum Teil ist dies auf die Unzufriedenheit mit den schädlichen Veränderungen bei großen sozialen Websites wie Twitter und Reddit zurückzuführen. Ein anderer Teil ist auf die Zufriedenheit mit Mastodon zurückzuführen, einem dezentralen sozialen Netzwerk, das niemandem gehört und mehr als eine Million aktive Nutzer hat. Solange es in den sozialen Medien Gatekeeper gibt, die mit Hilfe von Algorithmen entscheiden, was man sehen kann und was nicht, wird es einen Bedarf geben, diese zu umgehen. Wenn jemand einen RSS- oder Atom-Feed anbietet und man ihn in einem Reader abonniert, erhält man die neuesten Updates ohne Manipulation.

    Also: Berauscht Euch. Und macht dem RSS-Standard ein Geburtstagsgeschenk – probiert ihn doch mal wieder aus, mit einem Feedreader. Zum Beispiel so oder so. Happy Birthday!

  • „We see a powerful moment.“ – Nilay Patel macht Hoffnung

    „We see a powerful moment.“ – Nilay Patel macht Hoffnung

    Podcast Thumbnail "Guest host Hank Green makes Nilay Patel explain why websites have a future"

    Der Mit-Gründer und Chefredakteur des einflussreichen Technologieportals „The Verge“, Nilay Patel, fühlt einen kraftvollen Moment: Das Internet könnte sich noch einmal so radikal verändern wie in den 2010er Jahren. Und im Zentrum dieser Veränderung sieht Patel das Fediverse.

    Seinen Dienst „The Verge“ nennt Nilay Patel „the last website on earth„, und er meint das nur zur Hälfte als Witz. Zur anderen Hälfte sagt er damit: The Verge setzt bei der Verbreitung seiner Inhalte vor allem und zuerst auf die eigene Website, anders, als viele andere, die auf die Distribution über Plattformen wie Facebook, Insta oder TikTok setzen. Claus Hesseling hat mich auf diesen grandiosen Podcast aufmerksam gemacht: Normalerweise ist Nilay Patel der Host von „Dekoder“, in einer der letzten Episoden (wirklich hörenswert!) wird er aber selbst zum Gast, den der Videoblogger und Musiker Hank Green interviewt. Und Green lockt einige wichtige Erkenntnisse (hier zum Nachlesen) aus Nilay Patel. Zum Beispiel:

    „Content isn´t king.“

    Überraschung! Das Mantra mächtiger Medienmanager lahmt: Denn aus Patels Sicht bestimmt die Verbreitung über Plattformen heute den Inhalt, also: „Distribution“ oder „Algorithm is king“, nicht der Content:

    The distribution actually just creates the work or creates the pressures that force all the work to be the same. And I think over time that’s what drives the audiences away. So there’s a real change in how these platforms work, where, over time, they just become more and more of the same thing and the creators become more and more the same.

    Quelle: The Verge

    Dagegen fördert „open distribution“ über Protokolle, jenseits der monolithischen Plattformen, beispielsweise im Fediverse, inhaltliche Varianz.

    An audience shift and a technology shift – „I think we see that again“.

    Patel vergleicht die Zeit heute mit der Zeit, als Plattformen wie Facebook entstanden. Damals übernahm die Gen X mit neuem Geschmack und anderen Gewohnheiten (audience shift) sowie viel Innovationskraft das Silicon Valley, und die Xer brachten ihre Smartphones (technology shift) mit, die die Mediennutzung revolutionierten. Dazu kam Venture Capital, das lose in den Hosentaschen saß und auf Vermehrung hoffte. Ähnliches könnte heute wieder passieren, sagt Patel mit Blick auf Facebook, Insta & Co.:

    These platforms (…) are being enshittified. Left and right, people are looking for something else. (…) And then I think you do see some of these technology shifts elsewhere. I do think you see some of the action around the fediverse and decentralized social networks and the collapse of Twitter, and there’s just opportunity to build new kinds of products for audiences that are looking for something new or haven’t yet formed their habits.

    Quelle: The Verge

    Was für eine große Chance, und wie optimistisch. Allerdings fragt Patel auch, ob es heute wieder – wie damals – ausreichend Venture Capital gebe, um die Entwicklungen im Fediverse zu fördern.

    „How would I reshape society around this?“

    Nilay Patel betont die gesellschaftliche Dimension dieses Veränderungspotentials. Die Richtung ist ihm noch unklar, viele Fragen müssten noch benantwortet werden, aber:

    Just that first action — I am on a website that looks like Instagram, and I can follow a creator that posts something that looks like tweets on this thing, and I can open yet another app and log in to both of them, and it will just show me everything — it is mind-expanding in one particular kind of way because the commercial internet has never allowed you to do these things.

    Quelle: The Verge

    Ein Marktplatz für Algorithmen sieht er als einen Ansatz für Innovation: Nicht ein Algorithmus sortiert Inhalte, im Angebot sind dagegen viele. Und wir Nutzenden suchen uns einen aus, der zu unserem Nutzungsziel passt. Patel sieht die offenen Protokolle als Keimzellen für Innovation: „Oh, wir haben etwas Neues erfunden und es fühlt sich gut an. Besser jedenfalls als die Frage: Welchem Milliardär vertraust Du heute?“

    Meine Take-Aways

    Wow, mich fasziniert dieser Podcast sehr, weil er so unendlich optimistisch ist mit Blick auf die Zukunft unserer Online-Kommunikation. Und wenn Nilay Patel schon so über das Fediverse spricht, dann muss es doch klappen, oder? Mir hat dieser Podcast den Anstoß gegeben, selber weiterzumachen und auszuprobieren.

  • Selber machen: eimsbuettel.social

    Selber machen: eimsbuettel.social

    Als ich mein Buch „In der Social Media Falle“ geschrieben habe, bin ich auch auf digitale Netzwerke gestoßen, die offenbar gut funktionieren. Beispielsweise das Netzwerk „The Front Porch“ aus dem US-Bundesstaat Vermont, das Menschen ohne kommerzielle Absichten miteinander in Kontakt und Dialog bringt.

    Front Porch Forum’s mission is to help neighbors connect and build community. We do that by hosting regional networks of online neighborhood forums. Common sense and a growing body of research tell us that well-connected neighborhoods are friendlier places to live, with less crime, healthier residents, higher property values, and better service from local government and public utilities.

    Quelle: Front Porch Forum

    Der Charme dieses Netzwerkes, das 2006 in Burlington entstand: Es moderiert sich sozusagen selbst, weil Freiwillige auf den guten Ton achten und Fake News oder Hassbotschaften löschen. Das Forum kommt ohne Algorithmen aus. Mittlerweile gibt es in Vermont mehr Haushalte, die das Forum abonnieren, als solche, die es nicht beziehen.

    Digitale Netzwerke können unsere Welt besser machen, daran glaube ich. Aber nur, wenn sie nicht ausschließlich gewinngetrieben über intransparente Algorithmen Gesellschaft polarisieren und belügen. In meinem Buch ende ich unter anderem mit der Zukunftsvorstellung eines lokalen Netzwerkes an meinem Wohnort in Hamburg, das Menschen digital vernetzt, das aber auch über reale Kontakte Menschen verbindet.

    Hat jemand Lust, ein solches Nachbarschaftsnetzwerk auch hier in Hamburg-Eimsbüttel auszuprobieren? Das habe ich vor ein paar Monaten auf Mastodon gefragt: Und siehe da, es meldeten sich gleich zwei nette Menschen. Mit Jan und Andreas zusammen betreibe ich seit einiger Zeit nun eimsbuettel.social, einen Fediverse-Server für den Austausch hier vor Ort, aber auch als Fenster in Welt. Noch sind wir im Testbetrieb. Aber wer hier liest und gern dabei sein möchte, schreibt mir einfach eine Email und ich versorge Euch mit einem Invite-Code.

  • „The New Social“ goes Fediverse

    „The New Social“ goes Fediverse

    Nilay Patel hat mich in seinem Podcast angestupst. Und nach nur drei Ausgaben meines Newsletters ist es Zeit, etwas Neues auszuprobieren: „The New Social“ hat künftig eine eigene Präsenz im Fediverse.

    Die Magie offener Protokolle: Ist das nicht verrückt, dass Ihr einem Internet-Blog direkt aus dem Fediverse folgen könnt? Mancher alter Fedi-Hase bekommt vielleicht kaum ein müdes Auge auf, ich bin aber hellauf begeistert, mit weit aufgerissenen Augen, von den Möglichkeiten, die das Protokoll ActivityPub bietet. Nochmal kurz erklärt, im übertragenen Sinne: Wer diese Sprache spricht, der kann sich mit vielen anderen Angeboten verbinden, die auch diese Sprache sprechen. Und dank eines fantastischen WordPress-Plugins wird aus jedem Post in diesem Blog automatisch auch ein Post im Fediverse, dem Ihr über Mastodon oder andere Clients folgen könnt. Es ist so einfach, und es gibt gute Erklärungen (zum Beispiel hier oder hier).

    Mein WordPress-Blog verbindet sich also mit der Welt. Und eine Antwort auf einen Fediverse-Post wird hier zu einem Kommentar.

    Was heisst das für den Newsletter „The New Social“? Eigentlich nichts. Er wird ein wenig anders aussehen, weil ich ihn künftig aus mehreren Blogposts zusammenbaue. Das kommt meiner Art zu arbeiten im Übrigen auch etwas näher, weil ich eher zwischendurch mal kleinere Texte schreiben kann, als einmal alle zwei Wochen gleich einen ganzen Newsletter. Das hat länger gedauert, als ich dachte! Nun mache ich also das, was ich eigentlich gar nicht wollte: Ich schreibe wieder ein Blog statt „nur einen Newsletter“. Aber hey, ich habe diese Seite auch gestartet, um auszuprobieren und selbst zu lernen. Und ich bin unglaublich aufgeregt, dass das funktioniert.

    Schreibt mir gern, was Ihr davon haltet – und helft mir gern, Leser und Abonnenten zu finden, indem Ihr auch auf (at)news(at)thenewsocial.de verweist. Danke!