Kategorie: Blog

  • Ein Demokratiepass für Medienvielfalt – und zwei weitere Re:Publica-Empfehlungen

    Ein Demokratiepass für Medienvielfalt – und zwei weitere Re:Publica-Empfehlungen

    Auf der Digital-/Gesellschafts-/Alles-Konferenz Re:Pulica in Berlin dreht sich in diesem Jahr einiges um alternative Plattform. Daher kommen hier drei Empfehlungen für spannende Panels (und ich muss gestehen, ich habe nicht herausgefunden, ob (und welche Sessions) im Livestream zu sehen sind).

    Heimatlos ohne Twitter fühlen sich die Bloggerin Patricia Cammarata, Social-Media-Watchblogger Simon Hurtz, Mr. Internet Dirk von Gehlen und Autorin Kathrina Nocun auf dem Panel „Verloren auf Plattformen„: „Mit der Machtübernahme durch Elon Musk war der Traum endgültig aus und wir verteilten uns auf die Plattformen, die es auch noch gab oder die neu hinzukamen, um Twitter zu ersetzen. Aber wo stehen wir heute, 18 Monate nachdem eine Toilette in das Twitter Hauptquartier getragen wurde? Werden wir noch eine gemeinsame Heimat zwischen Mastodon, Threads, Bluesky, Instagram, TikTok und LinkedIn finden?“.

    Mr. Filterblase is in da house: Persönlich freue ich mich sehr darauf, Eli Pariser einmal persönlich zu sehen. Pariser hatte vor 13 Jahren in einem TED-Talk die Idee der Filterblase beschrieben, die wissenschaftlich bis heute nicht wirklich belegt ist. Eine Debatte losgestoßen aber hat er. Auf der Re:Publica spricht er mit ZDF-Intendant Norbert Himmler, Jean-Paul Philippot vom belgischen und Catherine Tait vom kanadischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk darüber, wie sich Europäische Medien und öffentliche Räume stärken lassen: „Strengthening European Media and the Public Sphere„. Die drei Sender unterstützen auch ein spannendes Projekt, dass digitale, öffentliche Räume neu definieren will.

    Über einen Demokratie-Pass zur Medienförderung rede ich schließlich am Mittwoch mit der Dortmunder Journalismus-Professorin Christina Elmer, dem Erfurter Demokratieforscher Professor Thorsten Thiel und der grünen Bundestagsabgeordneten und Digitalausschuss-Vorsitzenden Tabea Rößner, moderiert von der Justitiarin und Stellvertretenden Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Hanna Möllers: „Wer wählt, muss sich informieren. Doch Infos verschwinden hinter Bezahlschranken und in bezahlten Newslettern. Ein Demokratie-Pass könnte Bürger*innen Geld geben, um Medien zu nutzen – und gleichzeitig Medien fördern. Ganz anders als die gescheiterte Zustellförderung. Eine Utopie – oder realistisch?“ Wer sich für das Thema interessiert, kann in meinem Buch oder bei turi2/epd medien Einzelheiten lesen.

    Wer ist denn auch in Berlin dabei – und hat vielleicht Lust auf einen Kaffeetalk? DM bei Mastodon genügt, ich freu mich!

  • Follow your Podcast – im Fediverse

    Follow your Podcast – im Fediverse

    Worum geht´s? Immer tiefer versuchen die großen, monolithischen Plattformen wie Facebook oder Instagram in unsere Leben einzudringen. Wie? Sie bieten immer mehr Dienste an, damit wir quasi alles bei ihnen erledigen: Der chinesische Dienst WeChat gibt die Richtung vor. Die Kehrseite der Medaille: Wer versucht, sein Leben ohne Whatsapp, Insta und TikTok zu organisieren, stößt manchmal an seine Grenzen (weil Elterngruppen beim Sport eben nur Whatsapp nutzen wollen) oder muss viele verschiedene Apps nutzen. Da kommt eine schlaue Anwendung gerade richtig: PodcastAP.

    Was kann PodcastAP? PodcastAP nutzt das Podcast-Verzeichnis Podcastindex.org und die Mastodon-Api und bastelt auf diese Weise eine Möglichkeit, aus dem Fediverse Podcasts zu abonnieren.

    Wie geht das? Es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste: Ihr loggt Euch bei Podcast-AP über Euren Fediverse-Serve ein und abonniert Podcasts. Die zweite Möglichkeit geht sogar ohne Login. Auf der „Search“-Seite (über das Menü oben) sucht Ihr Euren Podcast (ich habe etwas sentimental mal einen Podcast gesucht, den ich über mehre Jahre mit meinem Freund Marcus Schuler gemacht habe). Das sieht so aus:

    Bisher hat PodcastAP alle Podcasts gefunden, die mir eingefallen sind. Im nächsten Schritt müsst Ihr nur noch die Adresse des Podcast-Feeds (im XML-Format, ein wenig so wie RSS), die PodcastAP generiert, kopieren – über den Knopf „Copy AP User“. In der Fediverse-Oberfläche Eurer Vertrauens fügt ihr diese Adresse dann in das Suchfeld ein und findet den entsprechenden Podcasts, dem ihr nun folgen könnt.

  • Geister im Fediverse

    Geister im Fediverse

    Spukt es wirklich? Nöö. Immer neue Dienste schließen sich ans Fediverse – das dezentrale Netzwerk auf Basis des ActivityPub-Protokolls – an: Nach Metas Threads, dem Techportal The Verge, Flipboard und anderen (nicht zu letzt The New Social) folgen nun die Plattform „Ghost“ und der Newsletter-Dienst „Buttondown„.

    Wer sind Ghost und Buttondown? Beide Dienste erhielten nach der Debatte über rechtsextreme Inhalte bei Substack viel Zulauf. Unter anderem Casey Newtons Platformer, The Atlantic oder Inside nutzen Ghost. Ghost arbeitet mit Open-Source-Software und verbietet in seinen Nutzubgsbedingungen Inhalt, der „gewalttätig oder bedrohlich ist oder zu Gewalt oder Handlungen aufruft, die für andere Personen bedrohlich sind.

    Warum kommt Ghost ins Fediverse? Auf einer eigenen Website erklärt das Unternehmen die Entscheidung für ActivityPub:

    „Langsam haben wir Informationen weniger wie Hausmannskost und mehr wie bei McDonalds konsumiert. Diese Fast-Food-Algorithmus-Diät wurde von den Technologieunternehmen absichtlich so gestaltet, dass sie von unserer Sucht profitieren konnten. Und nach zwei Jahrzehnten des Genusses sind die Risse in unserem kollektiven Bewusstsein überall um uns herum sichtbar. Es ist an der Zeit, die Kontrolle zurückzuerlangen, und es gibt gute Gründe, optimistisch zu sein.“

    Quelle: activitypub.ghost.org

    Interessant für alle die, die die angebliche Komplexität von Fediverse-Anwendungen wie Mastodon kritisieren („ist zu kompliziert“), finde ich den Vergleich mit E-Mail-Diensten, den auch Ghost bemüht. Bis heute ist – wenn man Statistiken mag – Email das größte aller Online-Kommunikationsmittel.

    Quelle: activitypub.ghost.org

    E-Mail hat uns die Technologie der privaten Nachrichtenübermittlung beschert, die sich nicht im Besitz eines einzigen Unternehmens befindet. Sie können mit jedem kommunizieren, egal ob Sie Gmail oder Outlook verwenden. ActivityPub macht dasselbe für die soziale Technologie. Es ist ein Protokoll, das es Menschen auf verschiedenen Plattformen ermöglicht, einander zu folgen, zu liken und zu antworten. Keine Algorithmen. Keine Bindung. Kein Blödsinn.

    Quelle: activitypub.ghost.org

    Strich drunter? Das Fediverse wächst weiter, und das ist gut.

  • EU macht Mastodon-Server dicht

    EU macht Mastodon-Server dicht

    Was ist da los? Die EU-Datenschutzbehörde (EDPS) hat in einer Pressemitteilung angekündigt, zwei Fediverse-Server dicht zu machen: zum einen EU Voice (auf Mastodon), zum anderen EU Video für Peertube-Videos. Beide waren als Pilotversuche gestartet. Nun zieht die Datenschutzbehörde den Stecker:

    Leider ist es uns trotz unserer Bemühungen, ein neues Zuhause für EU Voice und EU Video in anderen EU-Institutionen zu finden, nicht gelungen, einen neuen Eigentümer zu finden, der die Server und den Betrieb auf dem hohen Niveau aufrechterhält, das die EU-Institutionen und ihre Nutzer verdienen.

    Wojciech Wiewiórowski (Europäischer Datenschutzbeauftragter laut EDPS-Pressemitteilung)

    Verabschiedet sich die EU aus dem Fediverse? Ich vermute: Nein, und ich bin nicht allein. Laurens Hof, der den wöchentlichen, lesenswerten „Fediverse-Report“ verfasst, meint: „Dies ist ein notwendiger und schmerzhafter Übergang, und die Tatsache, dass die Europäische Kommission aktiv bleiben und ihre Bemühungen verstärken wird, ist eine gute Nachricht.“ In der Tat schreibt die EU-Kommission in einem Toot: „Unser Engagement für das Fediverse wird fortbestehen. Wir arbeiten an einer Lösung, um unsere kontinuierliche Präsenz (…) zu gewährleisten.“ Die EU verweist auf die wunderbare Möglichkeit, mit einem Account auf einen anderen Server umzuziehen.

    Wer ist von dem Server-Ende betroffen? Derzeit meldet der EDPS-Server 18 aktive Profile, darunter neben der EU-Kommission mit 101-tausend Followern den Digital-Kommissar (3600 Follower) oder die Europäische Weltraumagentur EUSPA (3400 Follower). Laurens Hof glaubt nicht, dass sich ein Betreiber findet, der alle diese Accounts übernimmt. Er vermutet: „Der logischere Weg scheint mir zu sein, viele verschiedene EU-Fediverse-Server zu haben, wobei jede EU-Organisation für ihre eigene Präsenz verantwortlich ist. In diese Richtung scheint auch das Konto der Europäischen Kommission zu gehen.“

    Strich drunter: Was denkst Du? Für mich ist der Schritt des Europäischen Datenschutzbeauftragten auf der einen Seite plausibel. Auf der anderen Seite ist das Signal, das die Europäische Union hier sendet, fatal: Sie sollte alternative Plattformen aktiv fördern und sich nicht darüber zerstreiten, wer Server betreibt.

  • Mastodon – gemeinnützig in den USA, in Deutschland nicht mehr

    Mastodon – gemeinnützig in den USA, in Deutschland nicht mehr

    Screenshot joinmastodon.org

    Was ist passiert? Offenbar hat Mastodon in Deutschland seinen Status als gemeinnützige Gesellschaft (gGmbH) verloren. „Ohne vorherige Warnung oder Erklärung“, schreibt Rochko in einem Blogpost, habe das zuständige Finanzamt (nach der Adresse im Impressum müsste es das Berliner Finanzamt für Körperschaften III sein) Mastodons Gemeinnützigkeit widerrufen. Rochko schreibt, dass Mastodon zuvor noch erfolgreich eine Steuerprüfung hinter sich gebracht hatte. Jeder, der in Deutschland einen Verein als gemeinnützig eintragen lassen möchte, weiß um die Klippen und Hürden eines solchen Vorhabens.

    Wir waren immer besorgt, dass die Entwicklung von Freier und Open-Source-Software vom deutschen Steuersystem nicht als gemeinnützig anerkannt werden würde. Deshalb waren wir froh, als das Finanzamt unsere Gemeinnützigkeit im Jahr 2021 anerkannte.

    Quelle: Mastodon-Blog

    Was passiert jetzt? Mastodon hat laut Blog-Eintrag Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Auch, wenn der Ratgeber Gemeinnützigkeit der Berliner Steuerverwaltung auf Seite 7 viele Möglichkeiten aufführt: Am Ende entscheidet ein Berliner Finanzbeamter (oder eine -beamtin), ob ein Unternehmen wie Mastodon gemeinnützig ist oder nicht – und das möglicherweise ohne einen blassen Schimmer davon, was dieses Unternehmen tut oder eben nicht tut.

    Warum ist das katastrophal? Eine der aktuell zentralen Stützen alternativer Plattformen muss nun darum fürchten, dass es steuerbefreit Spenden einsammeln darf. An sich sollten Berlin, Deutschland und die EU stolz darauf sein, dass Mastodon aus Europa heraus operiert und Meta, TikTok oder Google die Stirn bietet. Berlin, Deutschland und Europa sollten Einrichtungen wie Mastodon nach Kräften fördern – die Bürokratie aber erledigt das Gegenteil, irre. Das kann man der Bürokratie gar nicht so sehr vorwerfen – es fehlt vor allem der politische Wille dafür, Infrastrukturprojekte als gemeinnützig einzustufen, die Gesellschaft stärken. Ähnliche Erfahrungen machen gerade diejenigen, die Journalismus endlich gemeinnützig machen wollen.

    Was ist das Ausweg? Rochko schreibt in dem Blog-Eintrag eigentlich darüber, dass Mastodon ein Non-Profit-Unternehmen in den USA gegründet hat (offenbar mit Blick auf deutsche Steuerbehörden zur rechten Zeit). Im Mastodon-Blog schreibt CEO Eugen Rochko, Ziel sei, die Arbeit zu erleichtern, einschließlich der Möglichkeit, in den USA steuerlich absetzbare Spenden und Sachleistungen zu erhalten. Die Unternehmensgründung ändere nichts daran, dass Mastodon „an seiner Mission festhält, freie, dezentralisierte soziale Medien auf Open-Source-Basis anzubieten“. Das neue Unternehmen als formal „gemeinnützige Organisation zur Förderung von Religion, Ausbildung, sozialen Zwecken, Wissenschaft, Kunst, Sport, Kinderschutz oder Tierschutz“ eingetragen, benannt nach dem Internal Revenue Code der USA (26 U.S.C. § 501(3)).

    Was soll das Ganze? Mastodon operiert – wie viele Open-Source-Projekte im Fediverse – mit wenig Geld und muss sich als David gegen milliardenschwere Goliaths wie Meta oder TikTok behaupten. Eugen Rochko berichtete zuletzt mehrfach, dass er sich als Gründer jährlich nur 60.000 Euro Gehalt auszahle – ohne Sozialleistungen. Zuletzt schrieb er dies in einem Toot als Reaktion auf Kritik, Mastodon wolle mit der Unternehmensgründung irgendwelche Gelder verstecken – was wirklich Unsinn ist: welche Gelder?

    Warum gibt es Kritik an der Unternehmensgründung? Vor allem mit Blick auf die Zusammensetzung des „Boards“ sind die kritischen Töne mehr als das übliche Mastodon-Herumgeunke.Auf Mastodon schreiben Nutzende, im Board (so etwas wie der Aufsichtsrat) säßen Mitglieder aus den Bereichen Venture Capital und AI/Blockchain. Man kann das so sehen: Einer der Aufsichtsräte ist Biz Stone, der Twitter mitgründete und heute als Angel Investor auftritt. Ein anderer, Amir Ghavi, wird wegen seiner Rechtsberatung im Bereich AI/Blockchain kritisiert. Rochko weist die Kritik zurück: Ghavi bringe wichtige juristische Erfahrung mit, wenn Rochko selbst und andere Board-Mitglieder seine Sicht auf AI auch nicht teilten.

  • Oxford setzt Musk-Freund vor die Tür: Bye, bye, Bostrom

    Oxford setzt Musk-Freund vor die Tür: Bye, bye, Bostrom

    Future of Humanity Institute, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

    Was ist passiert? Die Universität Oxford hat (am 16. April) das Institut geschlossen, das Elon Musks beliebtester Philosoph leitete: Das „Future of Humanity Institute“ von Nick Bostrom. Die Gründe sind nicht wirklich transparent, die Erklärung gegenüber einem Webportal liest sich eher dünn:

    Oxford University has taken the difficult decision to close the Future of Humanity Institute, a research centre in the Faculty of Philosophy. The Institute has made an important contribution to the study of the future of humanity, for which we would like to thank and recognise the research team. Researchers elsewhere across Oxford University are likely to continue to work on this emerging field.

    Quelle: Statement gegenüber „Daily Nous“

    Bostrom war einer der Initiatoren eines offenen Briefes, in dem Wissenschaftler forderten, die KI-Entwicklung für sechs Monate zu pausieren, um über Grundlagen einer Regulierung zu diskutieren. Der Brief war umstritten, weil er auch als geschickter Schachzug von Unterzeichner Musk gegen Open AI verstanden werden konnte – das Unternehmen hinter Chat GPT, an dem früher auch Musk selbst beteiligt war.

    Wie lautet die Kritik an Bostrom? Bostrom gilt wie Musk als einer der Anhänger des „Long-Termism“ – die Menschheit soll sich danach auf die langfristige Problemlösung durch KI-Entwicklung oder Marsflüge konzentrieren. Kritiker halten dem entgegen, dass diese Denkrichtung greifbare aktuelle Probleme wie den Klimawandel oder die weltweite Armut außer Acht lasse. Zugespitzt: Wir können die Erde ruhig versauen, weil wir dann ja zum Mars fliegen können, zumindest die, die es sich leisten können. Auch Bostrom selbst stand in der Kritik: Er musste sich gerade für eine Jahrzehnte alte E-Mail entschuldigen, in der er behauptet hatte, „Schwarze sind dümmer als Weiße“ und das N-Wort verwendete. Eine gute Zusammenfassung hat der Guardian veröffentlicht.

    Was hat das mit „The New Social“ zu tun? Die Entwicklung und Regulierung von KI ruft ganz ähnliche Debatten hervor wie die Regulierung der großen Plattformen. Einige Stimmen sagen: Lasst uns aufpassen, dass uns bei KI nicht dasselbe passiert wie Facebook, TikTok oder X-Twitter, dass Algorithmen vor allem kommerzielle Interessen stützen, aber der Gesellschaft am Ende schaden. Insofern braucht die KI-Entwicklung aus meiner Sicht ähnliche Ziele wie die Social-Media-Regulierung, darunter Transparenz, diskriminierungsfreie Algorithmen oder die Möglichkeit, Anbieter zu wechseln, ohne eigene Daten zu verlieren.

  • Wie das SFO Museum Händchen hält mit dem Fediverse

    Wie das SFO Museum Händchen hält mit dem Fediverse

    San Francisco International Airport Museum Exhibit, Ed Bierman from CA, usa, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons

    Wenn Menschen Wert und Bedeutung in der Interaktion mit Dingen sehen, die keine „Menschen“ sind, wie Orte, Marken oder Dienstleistungen, warum sollte sich dieses Verhalten dann nicht auch auf einzelne Objekte in einem Museum erstrecken?Wenn Menschen Wert und Bedeutung in der Interaktion mit Dingen sehen, die keine „Menschen“ sind, wie Orte, Marken oder Dienstleistungen, warum sollte sich dieses Verhalten dann nicht auch auf einzelne Objekte in einem Museum erstrecken?

    Quelle: Aaron Cope, Holding Hands with the „Fediverse“ – ActivityPub at SFO Museum

    Wem folgen wir, und warum? Die Frage von Aaron Cope ist irgendwie theoretisch, aber auch spannend: Warum folgen wir Nike, Taylor Swift (Marke oder Menschen?) oder der Stadt Hamburg auf Instagram oder X-Twitter, nicht aber der Mona Lisa im Louvre, allgemein also: Objekten in Museen? Cope arbeitet unter anderem für das SFO Museum am San Francisco International Airport, das erste Museum an einem internationalen Flughafen weltweit. Betrieben wird es in Zusammenarbeit mit dem Fine Arts Museum von San Francsico, und das verrät vielleicht ein wenig über den Anspruch des Museums. Cope liebt, so verrät es sein Mastodon-Profil, Museen und Karten: Zuvor arbeitete er unter anderem für Flickr, aktuell liefert er Kontext für Kartendaten im Projekt „Whos On First“ für Mapzen.

    Warum soll ich überhaupt Museums-Objekten folgen? Warum nicht, meint Cope: Als er 2012 eine Liste mit 50.000 Kunstwerken des Museum of Modern Art (MoMa) in New York in die Hände bekam, für die jeweils eigene Websites eingerichtet waren, fragte er den Orts- (heute vorwiegend: Restaurant-) Empfehlungsdienst Foursquare, ob er für jedes dieser Kunstobjekt ein Venue auf der Plattform anlegen könnte.

    Wenn die Leute schon [auf Foursquare] aktiv darum wetteifern, „Bürgermeister“ ihres örtlichen Cafés zu werden, scheint es nicht weit hergeholt, sich vorzustellen, dass sie das auch für ihre Lieblingskunstwerke im MoMA tun würden.

    Quelle: Aaron Cope, Holding Hands with the „Fediverse“ – ActivityPub at SFO Museum

    Die höfliche Antwort von Foursqaure lautete: „Nein, bitte nicht!“ Ein paar Jahre später fragte er dann einen Freund, der bei Twitter arbeitete, ob er für 200.000 Ausstellungsobjekte am Cooper Hewitt Smithsonian National Design Museum, wo er inzwischen arbeitete, einzelne Accounts anlegen könnte. Auch dessen Antwort war nach einem (möglicherweise hysterischen) Lachen: „Nein, bloß nicht!“

    Wer entscheidet, wem wir folgen können? Mit Blick auf Copes Fragen an Foursquare und Twitter ist die Antwort klar: Hier fällten die Betreiber kommerzieller Plattformen diese Entscheidung. Und nach welchen Kriterien entscheiden sie? Überraschung: nach kommerziellen Kriterien. Es mag zwar eine theoretische (vielleicht auch verrückt) Idee sein, einzelnen Museumsobjekten zu folgen. Es ist aber zunächst einmal ebenso theoretisch (oder verrückt), einer Marke oder einem Nike-Turnschuh Online zu folgen. Der einzige Unterschied: Letzteres könnte für Plattformen wie Facebook oder TikTok kommerziell interessant sein, also lassen sie es zu. Sollten wir aber zulassen, dass kommerzielle Plattformen darüber entscheiden, was online möglich ist und was nicht?

    Was heisst das SFO-Projekt jetzt konkret? Wer im Fediverse aktiv ist, kann sich dank Cope nach Laune und Vorlieben mit dem SFO Museum verbinden. Er/sie kann Objekten folgen, die gerade ausgestellt (@onview@collection.sfomuseum.org) oder gerade gekauft wurden (@recentlyacquired@collection.sfomuseum.org). Wir können beispielsweise allem folgen, was im oder über das Internationale Terminal ausgestellt wird (@internationalterminal). Für jeden früheren Flug nach oder von SFO gibt es zudem einen eigenen Account. Viel los ist nicht auf diesen Accounts – die Idee ist aber faszinierend. (Weil die Accounts über ein ActivityPub-Plugin so installiert wurden, dass die SFO-Website direkt ins Fediverse postet, müssen die genauene Accountnahmen gesucht werden, um ihnen zu folgen. Die Profile sind wiederum auf der SFO-Website.)

    Ist das mehr als Spielerei? Cope erprobt die Möglichkeiten, die das dezentrale Fediverse bietet (und die kommerzielle Plattformen nicht zulassen). Er erweitert den Raum für Online-Kommunikation und damit gesellschaftliche Interaktion. Terence Eden erinnert in einem Blog-Artikel über das SFO-Projekt passend daran, dass Menschen in Melbourne E-Mails an Bäume in der Stadt schreiben: „Dearest Golden Elm Tree, I finally found you! As in I see you everyday on my way to uni, but I had no idea of what kind of tree you are. You are the most beautiful tree in the city and I love you.“ Es gibt also durchaus Interesse daran, mit Dingen im weitesten Sinne zu interagieren. Auch, wenn es seltsam scheint. Dass unser Kühlschrank Siri Nachrichten darüber schickt, dass die Milch ausgeht, nehmen wir übrigens hin, weil es existiert – und sich kommerziell lohnt.

    Strich drunter – was soll mir das sagen? Für mich ist es gar nicht wichtig, wie gut das SFO-Projekt nun funktioniert – die Möglichkeit allein ist faszinierend. Nicht allein kommerzielle Kriterien sollten bestimmen, wie und mit wem wir online interagieren. Auf den großen, dominanten Plattformen beherrschen aber Algorithmen die Verbreitung und Kommunikation, die ausschließlich dem kommerziellen Mantra folgen, Menschen möglichst lang zu halten. Das SFO-Projekt ist für mich also ein Lichtstrahl für Online-Kommunikation, die vielleicht unsinnig ist – aber möglich. Was denkt Ihr?

  • Wir sind schon da! Medien im Fediverse

    Wir sind schon da! Medien im Fediverse

    Der Account MediaOnMastodon sammelt fein säuberlich, welche verifizierten Medien sich schon im Fediverse tummeln. Die (leider bei Google) geführte Liste enthält (Stand heute) 321 verifzierte Medienaccounts in 20 Sprachen, von denen 180 auch heute aktiv waren. Fast die Hälfte der Medienaccounts sind deutsch (45,9 Prozent).

    Die fünf reichweitenstärksten deutschen Medienaccounts sind nach dieser Liste

    Gepflegt wird die Seite von Heise-Journalist Martin Holland (https://social.heise.de/@mho).

  • Das Fediverse ist (viel) mehr als Tech

    Das Fediverse ist (viel) mehr als Tech

    Gibt´s im Fediverse nur Nerds? Nein. Die gemeinnützige britische Organisation „Newsmast“ untersucht, was im Fediverse und auf Mastodon passiert. Nun hat sie erste Ergebnisse veröffentlicht, die mit Fediverse-Vorurteilen aufräumen. Einige zentrale Erkenntnisse:

    • Im Fediverse gibt es nicht nur Technik. Beiträge und Nutzende sind über viele unterschiedliche Themen-Communities verteilt.
    • Keine Community dominiert.
    • Die Journalismus-Community ist stark gewachsen, ein Plus von 72 % (was Newsmast „höchstwahrscheinlich auf die Ereignisse in Gaza“ zurückführt).
    • Eine kleine Zahl regelmäßiger Poster treibt die Kommunikation im Fediverse: 18 % der Nutzenden posten einmal pro Woche oder öfter und machen damit 83 % der Beiträge pro Monat aus.

    Worum geht´s also wirklich im Fediverse? Die größte Fediverse-Communities diskutiert, nun ja: Haustiere, gefolgt auf Platz 2 und 3 von Gruppen, die sich über Musik und Social-Media-Plattformen austauschen. Journalismus folgt immerhin auf Platz 6. Grundsätzlich findet Newsmast heraus:

    „Unsere Forschung zeigt, dass vor allem der Austausch von Wissen im Fediverse eine Heimat gefunden hat.“

    Quelle: Mapping Fediverse Communities (Hrsgb.: Newsmast)

    Wer steckt hinter Newsmast? tedium.co hat einen guten Hintergrund-Text zu der Organisation geschrieben, die sich bei Ausbruch des Ukraine-Krieges gründete. Danach sieht die Organisation, in der ehemalige Journalist*innen von Financial Times und Reuters arbeiten, ihre Aufgabe darin, „eine Community für Nachrichten in Echtzeit zu schaffen“. Das Ergebnis ist ein gut kuratierter Social-Media-Feed, der über ein eigenes Netzwerk von Apps und Webschnittstellen betrieben wird, auf ein offenes Ökosystem setzt und das Fediverse aktiv einbezieht.

    „Es gibt eine Menge wirklich interessanter Leute, die in diesem Ökosystem [Fediverse] arbeiten, mit denen wir gesprochen haben, mit denen wir in Kontakt getreten sind und mit denen wir zu arbeiten begonnen haben. […] Die Technologie dort ist wirklich aufregend, und sie kann viel Gutes für die Gesellschaft bewirken. Uns gefällt, dass sie wirklich quelloffen ist. Die zugrunde liegende motivierende Philosophie gefällt uns sehr.

    Freddie Johnson, Newsmast, im Gespräch mit tedium.co
  • POTUS im Fediverse

    POTUS im Fediverse

    Seit einer Woche könnt Ihr US-Präsident Biden aus dem Fediverse folgen: Sein Account @potus@threads.net bei Threads erscheint beispielsweise bei einer Suche in Mastodon – spannend im Wahljahr 2024, und ein Zeichen dafür, was der Threads-Anschluss ans Fediverse (über den Standard ActivityPub) bewirkt.

    Biden liest aber leider noch nicht, was ihr ihm antwortet. Denn Threads förderiert bisher nicht vollständig mit dem Fediverse. Ob das gut oder schlecht ist, darüber habe ich hier geschrieben.