kurz vor den (Hamburger) Sommerferien kommt ein ganz praktischer Newsletter: Wie findest Du den richtigen Server, wenn Du auf Mastodon starten möchtest? Und für alle die, die noch experimentieren und das richtige Netzwerk suchen: Openvibe erlaubt Posts auf Mastodon und Bluesky und Nostr. Außerdem geht´s um die Niederlande und ihre Mastodon-Strategie.
Eine Bitte: Ich freue mich über jeden, der diesen Newsletter wo, wem und wie auch immer empfiehlt. Danke! 🙏
"Mastodon ist ja so kompliziert", höre ich immer wieder, wenn ich davon erzähle. Ich bin wirklich überzeugt davon, dass das Unsinn ist - denn niemand von uns würde das über E-Mails sagen. Dabei sind für die Einrichtung einer E-Mail-Adresse etwa dieselben Schritte nötig wie für einen Start auf Mastodon:
Entscheide Dich für einen Server (bei E-Mail AOL, proton.me oder, oder, oder) - bei Mastodon zum Beispiel eimsbuettel.social.
Lege Dir einen Namen zu (bei E-Mail b.staschen oder bjoern) - bei Mastodon zum Beispiel @bjoernsta.
Die Suche nach einem E-Mail-Server ist auch in etwa so aufwändig wie die für einen Mastodon-Server: Du musst Dich nur entscheiden, was Du willst1. Kürzlich hatte die Hamburger Standort-Initiative nextmedia zum Themenfestival "Attention Economy: Aufmerksamkeit neu denken" eingeladen. Und ich hab mich wie Bolle gefreut, dass das Fediverse neben TikTok, Youtube & Co. auch ein Thema war. Nach meinem Vortrag hat mich dann ein Teilnehmer gefragt:
"Aber wie finde ich denn den richtigen Server?" Gute Frage. Vielen Einsteigern wird zur "Mutter-Instanz" von Mastodon geraten, mastodon.social. Dieser Server ist mit 2 Millionen Nutzenden auch die größte Instanz - und sicherlich kein schlechter Startpunkt. Mastodon.social läuft unter der neuesten Software-Version, weil sie ja von den Betreibern selbst entwickelt wird. Nutzende können sich sicher darauf verlassen, dass der Server lange leben wird (hoffe ich). Wer dann irgendwann mit Mastodon warm geworden ist, wird sich vielleicht später einen anderen Server suchen: Umzuziehen ist kein Problem.
Was spricht für andere Server? Unterschiedliche Server, unterschiedliche Regeln: Es gibt große Differenzen zwischen den Servern, beispielsweise in der Frage, ob sie mit Threads föderieren oder nicht. Andere verwenden viel (oder wenig) Energie darauf, wie sie mit Hate Speech umgehen, welche Moderationsregeln sie verfolgen: Manche Server sind ganz bewusste als "sicherer Hafen" eingerichtet, auch für bestimmte Interessengruppen.
Wie finde ich andere Server? Wer sich einen Überblick über verschiedene Server verschaffen will, der kann das beispielsweise nach Größe tun: fedidb.org wertet Fediverse-Daten aus und aktualisiert ständig eine Liste der größten Instanzen. Unter den zehn größten Fediverse-Instanzen sind acht Mastodon-Server.
Ein thematisches Verzeichnis der Server liefert Mastodon selbst: Auf der Seite joinmastodon.org lassen sich Server nach Region, Thema, Sprache, Registrierungsart und sogar Betreiberstruktur filtern. Allerdings sind nicht alle verfügbaren Server aufgeführt, sondern nur die, die sich einer Selbstverpflichtung unterwerfen. Bei jedem Server lohnt es sich, die Server-Regeln zu lesen (meine Heimat eimsbuettel.social hat zu Beispiel diese, dann "Serverregeln" aufklappen).
Seit dem Exodus von X-Twitter, der der Übernahme durch Elon Musk folgte, fühlen sich manche offenbar irgendwie heimatlos (der re:publica 2004 war das ein ganzes Panel wert: Verloren auf Plattformen, übrigens mit Mr. Internet Dirk von Gehlen): Die einen sind auf Mastodon oder anderen Fediverse-Plattformen, die anderen auf Bluesky oder Nostr, und wieder andere auf Threads von Meta. Das ist irgendwie mühsam und unübersichtlich - ein Problem, das die neue App openvibe lösen will.
Denn diese kleine Krake streckt ihre Arme in jedes Netzwerk:openvibe ist in Smartphone-Client für Mastodon und Bluesky und Nostr, die Anbindung von Threads soll folgen. Erhältlich ist openvibe derzeit für Android und iOs-Telefone, ebenso folgen soll eine Desktop-App.
Die Timeline von openvibe zeigt untereinander, also gemischt, Posts von den Netzwerken an, die ihr abonniert habt. Durch einfache Buttons an der oberen Leiste lässt sich zwischen Mastodon-, Bluesky- und Nostr-Posts filtern. Antworten, boosten und liken geht genauso wie in vielen anderen Apps. Posts lassen sich auch editieren - das funktioniert ja nicht in jedem Client. Auch Reaktionen lassen sich im Überblick oder gefiltert anzeigen.
Der Clou: Crossposting, also: Posts lassen sich auf mehreren Plattformen gleichzeitig posten. Diese Funktion lsst sich ein- und ausschalten. Posts können also auch gezielt nur in einem Netzwerk veröffentlich werden. Dafür gibt es auch andere Varianten, beispielsweise den Dienst Bridgy-Fed, der das Fediverse mit Bluesky verbindet. Bridgyfed leitet Mastodon-Posts aber grob gesagt weiter zu Bluesky, während openvibe aus einem Post zwei (oder drei) macht und auf unterschiedlichen Netzwerken veröffentlicht.
Good or bad? Alles, was Verbindung schafft, finde ich prima. Und alles, was die Nutzbarkeit der neuen Plattformen vergrößert, auch: openvibe erlaubt, parallel in zwei (oder drei) Netzwerken auszuprobieren, gibt mir aber das Gefühl, einem größeren Netzwerk anzugehören. Wer sich also irgendwie verloren fühlt, könnte sich mit openvibe ein wenig Heilung erlauben. Schade, dass openvibe Google Analytics nutzt und ein Teil meiner Daten so zu Google wandert - welche Haken lest ihr ansonsten in der Privacy Policy? Freue mich über Antworten.
Die Niederlande machen ernst. Seit einem Jahr betreibt die Regierung bereits die Mastodon-Instanz social.overheid.nl (was so viel heisst wie "sozial.regierung.niederlande) - bisher ein Pilotversuch, der nun in den Dauerbetrieb geht. Ab 2025 sollen alle Regierungsorganisationen und -ebenen die Möglichkeit erhalten, Mastodon zu nutzen. In einem Blog-Beitrag begründet die "Digitalregierung" (eine Seite "für Fachleute, die an der Digitalisierung arbeiten") die Entscheidung so:
"Das trägt zur Verringerung der Verbreitung von Desinformation und zum Rückgang der Abhängigkeit von kommerziellen Social-Media-Plattformen bei. Das stärkt die digitale Autonomie und die sichere und zuverlässige Informationsversorgung. Das kann das Vertrauen der Menschen in die digitale Welt stärken."
Wie lief der Pilotversuch bisher? Sind wir ehrlich: nur "ganz ok". Der Mastodon-Server der niederländischen Regierung hat bisher knapp 40 Nutzende - vom Königlich Meteorologischen Institut mit 3600 Followern über Ministerin van Huffelen (2500 Follower, siehe oben) bis hin zum Statistikbüro der Niederlande mit gerade mal 105 Followern - aller Anfang ist schwer. Zum Vergleich: Auf der anderen Seite erreicht der rechtspopulistische Geert Wilders, der bei der letzten Parlamentswahl 23 Prozent der Stimmen einstrich und an der Koalitionsregierung beteiligt ist, mit seinem X-Twitter-Account noch immer 1,4 Millionen Follower.
Strich drunter - bringt das dann überhaupt etwas? Auf der Public Spaces Conferences im Frühjahr in Amsterdam habe ich mit einem der Macher der "Overheid"-Instanz gesprochen, der den Erfolg eher zurückhaltend bewertete. Umso besser, dass die Regierung (trotz Regierungswechsel) dieses Projekt nicht aufgibt. Das Brett, alternative Plattformen zu stärken, ist dick. Ich find´s prima, dass die Niederlande weitermachen, trotz (oder gerade wegen) Wahlerfolgen von Populisten wie Geert Wilders. Denn eine Regierung entwirft politische Strategien - und dass dezentrale, demokratiestärkende Netzwerke in dieser Strategie einen Platz finden, das muss man sich für die Bundesrepublik erst noch wünschen.
Meta schaltet Trump frei - kurz vor seiner Nominierung auf dem Parteitag der Republikaner. netzpolitik.org berichtet über das Update einer alten Pressemitteilung, in der Meta das Ende der Beschränkung von Trumps Accounts auf Instagram und Facebook verkündet: "The public should be able to hear what politicians are saying so they can make informed choices." Angeblich wende Meta neue Regeln an, um Verstöße zu ahnden. Wie das klappt, wird der Wahlkampf zeigen. Und wieder stellt sich die Grundsatzfrage: Ist das überhaupt eine Entscheidung, die eine Gesellschaft einem einzelnen Konzern(-Boss wie Zuck) überlassen sollte?
Firefox sammelt Werbedaten: Der Browser der Mozilla-Foundation kommt neuerdings mit einer Datensammelfunktion, die Nutzende aktiv ausschalten müssen (netzpolitik.org beschreibt zum Beispiel, wie das geht). Der frühere Mozilla-Mitarbeiter Gabriele Svelto wünscht sich in einem lesenswerten Thread vor allem mehr Transparenz von der Mozilla-Stiftung, während er gleichzeitig nachvollziehen kann, dass sie irgendwie Geld verdienen muss, um einen Browser wie Firefox anzubieten.
Meditations on the human web hat Michael Taggart seinen lesenswerten Text über den "State des Web" genannt. Weil Big Tech dem Planeten allein schon durch den massiven CO2-Fußabdruck schade, weil KI-Modelle das Web übernehmen und damit auch Existenzen von Menschen, die im Web ihren Lebensunterhalt verdienen, gefährden, ruft er zur Rettung des "old web" auf, und zwar als "Human Web", das über Protokolle zugänglich ist, in der Menschen miteinander verbunden sind und Verantwortung übernehmen.
Eine kleine Welt baut smallworld.blinry.org: "Die Erde ist groß. Sehr, sehr groß. So unvorstellbar groß, dass es uns schwer fallen kann, sie zu begreifen. Wir wollen sie leichter begreifbar machen!" Wie ein Zauberstab verkleinert die Website die Erde und ihre großen Zahlen - aus einer Millionen wird eins. Und so manches Verhältnis wird sehr anschaulich, zum Beispiel das zwischen der Zahl der Menschen auf der Welt und der Zahl ihrer Autos 🚗🚘.
Ich bin umgezogen. Bisher hatte ich zwei Mastodon-Adressen, eine auf journa.host, eine auf eimsbuettel.social. Journa.host ist eine tolle Instanz, die nur verifzierte Journalisten zulässt, und ich bin sehr dankbar für die Zeit dort. Zusammen mit Andreas und Jan habe ich jedoch vor ein paar Monaten eimsbuettel.social gestartet, weil Machen besser ist als Reden. Wir wollen nach und nach mehr Menschen aus unserem Hamburger Stadtteil von einem Projekt überzeugen, das vielleicht bald schon ein Verein trägt, der seine Moderationsregeln festlegt und reale Verbindung neben die im Web stellt. Also war es Zeit, ernst zu machen und nur noch hier zu wohnen. Wer dabei sein möchte - kurze Nachricht reicht, wir freuen uns!
Das war´s für heute. Dieser Newsletter kommt über ein konzernfreies Wordpress-Plugin zu Dir: Vielleicht läuft noch nicht alles rund? Dann freue ich mich, von Dir zu hören. The New Social ist kostenlos und bleibt es auch - mein Lohn wäre, wenn Du anderen vom Newsletter erzählst und mir hilfst, mehr Leser*innen zu finden. Danke!
Wir hören uns in zwei Wochen, es sei denn, Du schreibst mir vorher eine E-Mail. Danke für´s Lesen und viele Grüße,
Björn
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