Monat: Mai 2024

  • Ein TikTok, bei dem Deine Daten Dir gehören?

    Ein TikTok, bei dem Deine Daten Dir gehören?

    TikTok als Blaupause für das Web der Zukunft, wie schizophren ist das? Auf den ersten Blick wirkte das, was der US-Milliardär Frank McCourt vor zehn Tagen in die Welt setzte, etwas schräg: Der Mann mit Hornbrille und blauem Business-Look will TikTok kaufen und daraus eine vorbildliche App bauen, wörtlich:

    „This bid for TikTok offers an innovative, alternative vision for the platform’s infrastructure – one that allows people to reclaim agency over their digital identities and data by proposing to migrate the platform to a new digital open-source protocol. (…) McCourt and his partners are seizing this opportunity to return control and value back into the hands of individuals and provide Americans with a meaningful voice, choice, and stake in the future of the web.“

    Quelle: Project Liberty

    Wer steckt hinter dieser Idee? Milliardär McCourt kam über Sportvereine zu Geld – er besaß bis 2012 das Baseball-Team der LA Dodgers, heute gehört ihm Olympique Marseille. Mit seinem Geld gründere er das „Projekt Liberty“, eine Allianz aus mehr als 100 Organisation von Tristan Harris´ Center for Humane Technology über das Recherchenetzwerk bellingcat bis hin zu Reporter Ohne Grenzen, die die „Kontrolle über ihr Leben im digitalen Zeitalter zurückgewinnen wollen, indem sie ein Mitspracherecht, Wahlmöglichkeiten und ein besseres Internet fordern“. Nicht nur das, selbst Internet-Pionier Tim Berners-Lee unterstützt das Kaufangebot für TikTok:

    „Dieser Vorschlag hat meine Unterstützung. Das Web, das ich erfunden habe, sollte dem Einzelnen die Macht und den Wert geben, die er im Moment nicht hat. Die Nutzer sollten die Möglichkeit haben, ihre eigenen Daten zu kontrollieren und sie nach Belieben mit anderen Menschen und Organisationen zu teilen. Ein TikTok, das offene Internetprotokolle wie Solid verwendet, wird die kritischen Werte der Privatsphäre, der Datensouveränität und der geistigen Gesundheit der Nutzer berücksichtigen.

    Quelle: Tim Berners Lee, übersetzt nach einem Zitat bei „Project Liberty

    Was ist das Internet-Protokoll „Solid“? Solid erlaubt es Nutzenden, Daten in einem eigenen „Pod“ aufzubewahren und souverän mit Internet-Diensten zu teilen – anders als bei vielen Diensten heute, die sich erst nutzen lassen, wenn wir unsere Daten frei herausrücken. Solid könnte Teil eines Internetporotokolls werden, dass McCourt entwickeln lässt: Das Decentraliced Social Networking Protokoll DSNP will soziale Interaktion im Netz datensouverän und transparent machen – ein weiteres Protokoll neben ActivityPub (genutzt von Mastodon und anderen Fediverse-Diensten) oder AT (Bluesky).

    Wie ernsthaft ist also dieses Angebot? Mr. Internet Dirk von Gehlen schreibt in einem flotten Blogpost: „Bis es soweit ist, sind noch einige Konjunktive zu überwinden.“ Und das ist sehr richtig. Dennoch hat das Angebot von Frank McCourt einen super Effekt, wie Dirk schreibt: „Er macht Werbung für einen neuen Blick auf unser digitales Ökosystem. Es muss nicht so sein, wie die großen Tech-Unternehmen es gerade nutzen. Es sind andere Modell möglich. Dass er darauf hinweist, ist sehr wertvoll!“ Finde ich auch.

  • Ein Demokratiepass für Medienvielfalt – und zwei weitere Re:Publica-Empfehlungen

    Ein Demokratiepass für Medienvielfalt – und zwei weitere Re:Publica-Empfehlungen

    Auf der Digital-/Gesellschafts-/Alles-Konferenz Re:Pulica in Berlin dreht sich in diesem Jahr einiges um alternative Plattform. Daher kommen hier drei Empfehlungen für spannende Panels (und ich muss gestehen, ich habe nicht herausgefunden, ob (und welche Sessions) im Livestream zu sehen sind).

    Heimatlos ohne Twitter fühlen sich die Bloggerin Patricia Cammarata, Social-Media-Watchblogger Simon Hurtz, Mr. Internet Dirk von Gehlen und Autorin Kathrina Nocun auf dem Panel „Verloren auf Plattformen„: „Mit der Machtübernahme durch Elon Musk war der Traum endgültig aus und wir verteilten uns auf die Plattformen, die es auch noch gab oder die neu hinzukamen, um Twitter zu ersetzen. Aber wo stehen wir heute, 18 Monate nachdem eine Toilette in das Twitter Hauptquartier getragen wurde? Werden wir noch eine gemeinsame Heimat zwischen Mastodon, Threads, Bluesky, Instagram, TikTok und LinkedIn finden?“.

    Mr. Filterblase is in da house: Persönlich freue ich mich sehr darauf, Eli Pariser einmal persönlich zu sehen. Pariser hatte vor 13 Jahren in einem TED-Talk die Idee der Filterblase beschrieben, die wissenschaftlich bis heute nicht wirklich belegt ist. Eine Debatte losgestoßen aber hat er. Auf der Re:Publica spricht er mit ZDF-Intendant Norbert Himmler, Jean-Paul Philippot vom belgischen und Catherine Tait vom kanadischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk darüber, wie sich Europäische Medien und öffentliche Räume stärken lassen: „Strengthening European Media and the Public Sphere„. Die drei Sender unterstützen auch ein spannendes Projekt, dass digitale, öffentliche Räume neu definieren will.

    Über einen Demokratie-Pass zur Medienförderung rede ich schließlich am Mittwoch mit der Dortmunder Journalismus-Professorin Christina Elmer, dem Erfurter Demokratieforscher Professor Thorsten Thiel und der grünen Bundestagsabgeordneten und Digitalausschuss-Vorsitzenden Tabea Rößner, moderiert von der Justitiarin und Stellvertretenden Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Hanna Möllers: „Wer wählt, muss sich informieren. Doch Infos verschwinden hinter Bezahlschranken und in bezahlten Newslettern. Ein Demokratie-Pass könnte Bürger*innen Geld geben, um Medien zu nutzen – und gleichzeitig Medien fördern. Ganz anders als die gescheiterte Zustellförderung. Eine Utopie – oder realistisch?“ Wer sich für das Thema interessiert, kann in meinem Buch oder bei turi2/epd medien Einzelheiten lesen.

    Wer ist denn auch in Berlin dabei – und hat vielleicht Lust auf einen Kaffeetalk? DM bei Mastodon genügt, ich freu mich!

  • Follow your Podcast – im Fediverse

    Follow your Podcast – im Fediverse

    Worum geht´s? Immer tiefer versuchen die großen, monolithischen Plattformen wie Facebook oder Instagram in unsere Leben einzudringen. Wie? Sie bieten immer mehr Dienste an, damit wir quasi alles bei ihnen erledigen: Der chinesische Dienst WeChat gibt die Richtung vor. Die Kehrseite der Medaille: Wer versucht, sein Leben ohne Whatsapp, Insta und TikTok zu organisieren, stößt manchmal an seine Grenzen (weil Elterngruppen beim Sport eben nur Whatsapp nutzen wollen) oder muss viele verschiedene Apps nutzen. Da kommt eine schlaue Anwendung gerade richtig: PodcastAP.

    Was kann PodcastAP? PodcastAP nutzt das Podcast-Verzeichnis Podcastindex.org und die Mastodon-Api und bastelt auf diese Weise eine Möglichkeit, aus dem Fediverse Podcasts zu abonnieren.

    Wie geht das? Es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste: Ihr loggt Euch bei Podcast-AP über Euren Fediverse-Serve ein und abonniert Podcasts. Die zweite Möglichkeit geht sogar ohne Login. Auf der „Search“-Seite (über das Menü oben) sucht Ihr Euren Podcast (ich habe etwas sentimental mal einen Podcast gesucht, den ich über mehre Jahre mit meinem Freund Marcus Schuler gemacht habe). Das sieht so aus:

    Bisher hat PodcastAP alle Podcasts gefunden, die mir eingefallen sind. Im nächsten Schritt müsst Ihr nur noch die Adresse des Podcast-Feeds (im XML-Format, ein wenig so wie RSS), die PodcastAP generiert, kopieren – über den Knopf „Copy AP User“. In der Fediverse-Oberfläche Eurer Vertrauens fügt ihr diese Adresse dann in das Suchfeld ein und findet den entsprechenden Podcasts, dem ihr nun folgen könnt.

  • Geister im Fediverse

    Geister im Fediverse

    Spukt es wirklich? Nöö. Immer neue Dienste schließen sich ans Fediverse – das dezentrale Netzwerk auf Basis des ActivityPub-Protokolls – an: Nach Metas Threads, dem Techportal The Verge, Flipboard und anderen (nicht zu letzt The New Social) folgen nun die Plattform „Ghost“ und der Newsletter-Dienst „Buttondown„.

    Wer sind Ghost und Buttondown? Beide Dienste erhielten nach der Debatte über rechtsextreme Inhalte bei Substack viel Zulauf. Unter anderem Casey Newtons Platformer, The Atlantic oder Inside nutzen Ghost. Ghost arbeitet mit Open-Source-Software und verbietet in seinen Nutzubgsbedingungen Inhalt, der „gewalttätig oder bedrohlich ist oder zu Gewalt oder Handlungen aufruft, die für andere Personen bedrohlich sind.

    Warum kommt Ghost ins Fediverse? Auf einer eigenen Website erklärt das Unternehmen die Entscheidung für ActivityPub:

    „Langsam haben wir Informationen weniger wie Hausmannskost und mehr wie bei McDonalds konsumiert. Diese Fast-Food-Algorithmus-Diät wurde von den Technologieunternehmen absichtlich so gestaltet, dass sie von unserer Sucht profitieren konnten. Und nach zwei Jahrzehnten des Genusses sind die Risse in unserem kollektiven Bewusstsein überall um uns herum sichtbar. Es ist an der Zeit, die Kontrolle zurückzuerlangen, und es gibt gute Gründe, optimistisch zu sein.“

    Quelle: activitypub.ghost.org

    Interessant für alle die, die die angebliche Komplexität von Fediverse-Anwendungen wie Mastodon kritisieren („ist zu kompliziert“), finde ich den Vergleich mit E-Mail-Diensten, den auch Ghost bemüht. Bis heute ist – wenn man Statistiken mag – Email das größte aller Online-Kommunikationsmittel.

    Quelle: activitypub.ghost.org

    E-Mail hat uns die Technologie der privaten Nachrichtenübermittlung beschert, die sich nicht im Besitz eines einzigen Unternehmens befindet. Sie können mit jedem kommunizieren, egal ob Sie Gmail oder Outlook verwenden. ActivityPub macht dasselbe für die soziale Technologie. Es ist ein Protokoll, das es Menschen auf verschiedenen Plattformen ermöglicht, einander zu folgen, zu liken und zu antworten. Keine Algorithmen. Keine Bindung. Kein Blödsinn.

    Quelle: activitypub.ghost.org

    Strich drunter? Das Fediverse wächst weiter, und das ist gut.